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Onlinezugangsgesetz 2.0: Die Probleme bleiben

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Einen Bauantrag stellen, den Familienhund anmelden oder eine Geburtsurkunde beantragen – das Onlinezugangsgesetz sollte dafür sorgen, dass Bürger:innen dies bis Ende 2022 online tun können. Doch die Frist ist längst abgelaufen, die Probleme der schleppenden Verwaltungsdigitalisierung bleiben. Daran kratzt auch die neue Fassung des Gesetzes nur oberflächlich.
Die neue Fassung des Onlinezugangsgesetzes liegt nun bei den Ausschüssen (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten Papierwand: Unsplash/Christa Dodoo; Hände: Unsplash/Mil Weiler/Marek Studzinski/Serge Kutuzov; Montage: netzpolitik.orgSeit bald einem Jahr durchläuft die neue Fassung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) die verschiedenen Stationen der Gesetzgebung. In der ersten Lesung im Bundestag am 20. September 2023 rangelten die Ampel und die Union wieder einmal um die Verantwortung für Versäumnisse. Die Hoffnung setzt die Bundesregierung nun ins OZG 2.0. Die Kritik von Fachleuten und Zivilgesellschaft hat sie im Entwurf des Änderungsgesetzes allerdings kaum adressiert.
Bekannt ist: Die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland verläuft schleppend. Das zeigt sich im Vergleich mit den europäischen Nachbarländern, etwa im EU-Bericht über den Index der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft von 2022. Schon im Sommer 2022 war auch klar: Bund und Länder schaffen es nicht, die geplanten 575 Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres online anzubieten.
Der Hemmschuh ist laut Fachleuten nach wie vor derselbe: Es gibt keine einheitliche technische Basisinfrastruktur, genauso wenig wie eine Gesamtstrategie oder einheitliche Standards und Schnittstellen, die für alle Ebenen verbindlich sind. Das bedeutet: Bund, Länder und Kommunen entwickeln jeweils eigene Lösungen digitaler Verwaltungsleistungen, die dann nicht gut zusammenspielen.
Das Ergebnis ist ein Flickenteppich. Verfehlt ist das OZG-Ziel, dass Bund, Länder und Kommunen neu entwickelte Onlineverfahren flächendeckend nutzen. Das kritisierte etwa der Normenkontrollrat in seinem Positionspapier vom Februar. Das will die Bundesregierung nun ändern: „Das Stückwerk der vergangenen Jahre wollen wir vereinheitlichen“, sagt etwa Robin Mesarosch von der SPD.
Doch das OZG 2.0 bleibt hierzu erstaunlich unkonkret. Es gibt lediglich an, dass das Bundesinnenministerium einheitliche Standards und Schnittstellen an zentraler Stelle veröffentlichen will. Es ist nicht klar, wie sie diese definieren und verbindlich vorgeben will.
Intransparenz und schlechtes Monitoring
Bei der Umsetzung des OZG ist die Bundesregierung wenig transparent. Das zeigt ihre Antwort auf die Schriftliche Frage von Anke Domscheit-Berg von Anfang September. Die Abgeordnete der Linkspartei wollte den Umsetzungsstand der sogenannten Booster-Leistungen erfahren. Das sind Leistungen, die die Ampel im Jahr 2022 priorisiert hatte. Sie sollten vor Ablauf der Frist digitalisiert werden. Doch das klappte nicht.
Ein Jahr später verweist die Bundesregierung Domscheit-Berg auf das OZG-Dashboard. Darauf solle sie sich selbst ein Bild vom Umsetzungsstand machen. Dabei vermittelt das Dashboard kaum Informationen, zum Teil werden sie sogar auf „irreführende“ Weise präsentiert, wie der Bundesrechnungshof letztes Jahr bemängelte.
Das OZG gibt vor, dass 575 Verwaltungsleistungen bundesweit vollständig digitalisiert sein sollen. Das Dashboard suggeriert hier höhere Zahlen. Das Board zählt nämlich auch Leistungen als digitalisiert, wenn sie „nur in einer einzigen Kommune irgendwo in Deutschland“ online verfügbar sind, so Domscheit-Berg.
Eine Leistung, auf die das zutrifft, müsse nicht einmal dem Digitalisierungsgrad entsprechen, den das OZG als Standard vorgibt. Hierzu gibt es ein vierstufiges Modell. OZG-konform ist eine Leistung nur ab Stufe 3. Das heißt, sie kann dann „einschließlich aller Nachweise vollständig digital abgewickelt werden und der Bescheid wird digital zugestellt“.
Dass die Antwort der Bundesregierung so knapp ausfällt, überrascht. Denn Anfang des Jahres lieferte sie auf eine frühere Anfrage von Domscheit-Berg zum Umsetzungsstand der Booster-Leistungen noch einige konkrete Angaben. Danach war nur die Booster-Leistung Corona-Hilfe flächendeckend und voll digital und entspricht damit Stufe 3. Bürger:innen können die Corona-Hilfe also online beantragen und die Verwaltungsbehörden können die Anträge digital bearbeiten. Bafög dagegen ist zwar bundesweit online verfügbar und Bürger:innen können es online beantragen. Die Leistung ist aber schon dadurch nicht voll digital, dass die Behörden die Anträge ausdrucken müssen.
Ob die Bundesregierung nun intransparent ist oder schlicht keine aussagekräftigen Daten vorliegen hat, bleibt unklar. Fest steht: Sie hat die 35 priorisierten Leistungen in 15 Fokusleistungen umgewandelt und damit die Zielvorgabe nach unten angepasst.
Verantwortung oder Zuständigkeit
Fiel ihre Antwort auch inhaltlich knapp aus, so hatte die Bundesregierung doch genug Platz, um darauf hinzuweisen, dass die Länder für die priorisierten Leistungen zuständig sind. Bund und Länder weisen jeweils die Verantwortung von sich, wollen sich aber auch Zuständigkeiten nicht streitig machen lassen.
Am Gerangel darüber, wer in der Vergangenheit versagt hat, beteiligte sich in der ersten Lesung im Bundestag auch die bayrische Staatsministerin für Digitales, Judith Gerlach von der CSU. Die Bundesregierung habe nicht mal ansatzweise eine flächendeckende Digitalisierung geschafft. Gleichzeitig erklärte sie, man müsse die Länder machen lassen, eine Politik von oben bringe gar nichts. Volker Redder (FDP) hielt wiederum den Ländern vor, sich nicht an die Regeln zu halten. „Wenn sie das täten, dann könnten wir Standards festsetzen“, sagte er mit Blick nach Bayern.
Ein solche Debatte ließe sich möglicherweise mit einer Meilensteinplanung vermeiden und damit, dass eine Behörde wie die Föderale IT-Kooperation (FITKO) die Zügel in die Hand nimmt. Das empfiehlt der Normenkontrollrat. Kompetenzen und Ressourcen müssten so organisiert sein, dass Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten und handlungsfähiger werden.
Der Druck ist raus
Einer der größten Aufreger im OZG 2.0 dürfte sein, dass es keine Frist mehr gibt. Das gab auch bei der ersten Lesung Stoff für Schuldzuweisungen. Ohne Frist entfalle der Umsetzungsdruck, so die Meinung von Philipp Amthor von der CDU. Gravierender sei laut Anke Domscheit-Berg allerdings die fehlende Verbindlichkeit. Zwar habe die Bundesregierung mehr Klarheit hinsichtlich der Basisdienste, zum Beispiel die Nutzung der BundID. Auch habe sie die Ende-zu-Ende-Digitalisierung als Ziel erkannt und benannt. „Aber für welche Leistungen dieses Ziel erfüllt sein soll, und bis wann, das beantwortet der Gesetzentwurf leider nicht“, heißt es in ihrer Stellungnahme.
Da das OZG 2.0 wiederum keinen einklagbaren Rechtsanspruch enthalte, sei nichts von Erklärungen der Bundesregierung verbindlich. Das trifft dann auch auf die 15 Fokusleistungen zu, welche die Ampel zusammen mit dem Gesetzentwurf Ende Mai veröffentlicht hat.
Misbah Khan von den Grünen bezeichnete das OZG in ihrem Wortbeitrag als „von Anfang an broken by design“, also als falsch konzipiert. Die Frage ist, inwieweit die neue Fassung des Gesetzes daran etwas ändern kann.

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Author: Esther Menhard