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Paul Brandenburg muss damit leben, „Volksverhetzer“ genannt zu werden

Der Notarzt, Unternehmer, Autor und Corona-Verharmloser Paul Brandenburg muss damit leben, „Volksverhetzer“ genannt zu werden. Das ist das Resultat einer juristischen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Journalisten Rainer Woratschka, Redakteur und Gesundheitsexperte des Berliner „Tagesspiegels“. Letzterer hatte Brandenburg im März in einem Posting auf Twitter dafür kritisiert, dass er die Bundesregierung wiederholt „illegitimes Terrorregime“ genannt hatte.

Woratschka twitterte auf seinem privaten Account am 22. März: „Ist es okay für , dass ein gewisser @docbrandenburg die Bundesregierung hier regelmäßig als ‚illegitimes Terrorregime‘ bezeichnet? Bin mal gespannt.“ Später fügte er hinzu: „Geschafft, die Trolle dieses Volksverhetzers fallen über mich her. Jede Menge Blockmaterial.“

Paul Brandenburg ging juristisch gegen Kritiker vor

„Volksverhetzer“ – das wollte Paul Brandenburg nicht auf sich sitzen lassen. Mit Schreiben vom 13. April forderte der in der verschwörungsideologischen Szene bestens bekannte Kölner Rechtsanwalt Gordon Pankalla den Journalisten im Auftrag von Brandenburg auf, die Äußerung zu unterlassen. Pankalla scheiterte im August gegen Volksverpetzer vor Gericht und darf ebenfalls „Querdenker“ genannt werden. „Illegitimes Terrorregime“ sei eine Meinungsäußerung, schrieb Pankalla. Die Bezeichnung „Volksverhetzer“ indes sei „falsch“, es lägen „hierfür keine Tatsachen“ vor. Pankalla schrieb: „Mein Mandant wurde niemals gem. § 130 StGB verurteilt. Ihre Post stellt daher eine unwahre Tatsachenbehauptung und auch eine Beleidigung dar.“

Der Fall ging vors Landgericht Köln, nachdem Woratschka nicht einlenkte und dem Unterlassungsbegehren nicht stattgab. Am 8. November wurde in Köln wegen „ehrverletzender Äußerungen und Forderung auf Schadenersatz“ verhandelt. Der Streitwert wurde auf 11.000 Euro festgelegt. Vor Gericht aber wurde dem Kläger signalisiert, dass der auf ihn bezogene Begriff „Volksverhetzer“ im Rahmen der freien Meinungsäußerung möglich ist.

Klage wurde zurückgenommen

Eine Sprecherin des Landgerichts Köln teilte zu Wochenbeginn auf Volksverpetzer-Anfrage mit, „dass die Klage in dem benannten Verfahren vom Kläger zurückgenommen wurde“. Woratschkas Anwalt sagte, die Äußerung seines Mandanten sei „halt eine zulässige Bewertung“ von Brandenburgs „Meinung, dass die Bundesregierung ein illegitimes Terrorregime“ sei. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Vernehmen nach Brandenburg auferlegt. Sein Anwalt Pankalla wollte den Ausgang des Rechtsstreits (Az.: 28 O 231/23) auf Volksverpetzer-Anfrage nicht kommentieren.

In der „Querdenker“-Szene ist Paul Brandenburg eine illustre Figur. Zwar bestätigten sich „Tagesspiegel“-Recherchen nicht, wonach Brandenburg 2021 einer der Drahtzieher der in der Pandemie gestarteten Aktion war, bei der mehr als 50 Schauspieler:innen die Coronapolitik der Bundesregierung und die Berichterstattung der Medien kritisierten. Er sei „leider gar nicht“ beteiligt gewesen, auch wenn er „durch persönliche Bekanntschaft früher als die Öffentlichkeit von der Aktion“ erfuhr, ließ Brandenburg damals verlauten.

Razzia & antidemokratische Äußerungen

Propagandistisch war Paul Brandenburg im Streit um Corona regelmäßig führend und wortgewaltig tätig. Er warnte beispielsweise 2021 vor einem „Merkel-Faschismus“.

Aber nicht nur verbal war, fiel er auf: Im Mai 2022 rückte ein Spezialeinsatzkommando der Berliner Polizei zu einer Razzia bei Paul Brandenburg, „einem der bekanntesten Kritiker der staatlichen Coronamaßnahmen“, an, wie damals der Tagesspiegel berichtete. Grund: Verdacht des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Es seien nicht nur Handys beschlagnahmt worden. Die Ermittler fanden auch Schusswaffen, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Berlin erklärte.

Der rechte Blogger Boris Reitschuster kommentierte den Vorgang: „Auch wenn ich zu wenig weiß für eine abschließende Beurteilung, drängt sich hier doch der Verdacht auf, dass hier ein Kritiker der Regierung und ihrer Corona-Politik eingeschüchtert werden soll und dazu Justiz und Polizei instrumentalisiert werden.“

Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Brandenburg auf seiner Homepage den Text einer Rede, die er Ende Oktober in Dresden gehalten hat. Demnach sagte er dort, „keine Wahl alleine“, weder im Bund, noch in den Ländern, werde „uns mehr retten„, weder die von Wagenknecht noch von Weidel und auch nicht die der Partei „Die Basis“. „Denn jede Partei, die sich dem Wahlrecht der herrschenden Korruption noch beugt, die sich gemein macht mit den Mördern dieser Republik, ob auf der Straße oder in den Parlamenten, macht sich zum Werkzeug dieser Täter. Jede Partei, die weniger verlangt als die Verhaftung all der heutigen Täter, die wird nichts anderes für uns bringen als neue Köpfe für die immer gleiche Hydra.“

Corona-Verharmlosung

Diese und wohl auch andere Aussagen Brandenburgs dürften ohne Zweifel als antidemokratisch gelten. Das ist auch deshalb bemerkenswert, weil der Tagesspiegel 2021 Brandenburg noch in Schutz genommen hatte gegen eben diesen Vorwurf. Die Zeitung ging mit ihrer eigenen Berichterstattung über ins Gericht: „Paul Brandenburg ist mehrfach in alternativen Medien aufgetreten, die auch Verbindungen zur Querdenker-Szene haben. Wir haben ihn mit Äußerungen aus diesen Auftritten zitiert und diese als ,antidemokratisch‘ bezeichnet. Dieser Begriff ist durch Brandenburgs Äußerungen nicht gedeckt“, hieß es im Mai 2021 in einer Erklärung der „Tagesspiegel“-Chefredaktion: „Unsere Recherchen haben neue Hintergründe aufgezeigt – wir haben aber auch Fehler gemacht.“

Auf „Tagesspiegel live“ durfte Brandenburg damals, quasi als Wiedergutmachung, diskutieren, mit dem damaligen Medienredakteur Joachim Huber, Ressortleiter Wissenschaft Sascha Karberg, Anna Sauerbrey, die seinerzeit zur Chefredaktion gehörte und inzwischen für die „Zeit“ arbeitet, und dem Kolumnisten Harald Martenstein, der Anfang 2022 zur „Welt“ gewechselt ist. Brandenburg nutzte das Podium, um seine coronaverharmlosenden Thesen zu verbreiten: Er wolle nicht schwere Krankheitsverläufe bei Infizierten in Abrede stellen, aber die Corona-Pandemie sei nicht vergleichbar mit einer Influenza, sie übersteige andere Lebensrisiken nicht. Corona sei „kein außergewöhnliches Ereignis“.

Hetze gegen Tagesspiegel-Journalisten – die berichten von Hass

Freunde wurden Paul Brandenburg und der Tagesspiegel trotzdem nicht mehr. Das zeigt nicht nur die juristische Kontroverse zwischen ihm und Woratschka. Am vergangenen Freitag – also nach seinem Scheitern vor dem Landgericht Köln – holte Brandenburg in einem Posting auf X, vormals Twitter, aus gegen den „Tagesspiegel“-Reporter Julius Geiler, der seit Jahren fundiert unter anderem über die „Querdenker“-Proteste berichtet. Brandenburg nannte Geiler „Berufshetzer“ und seine Zeitung „Tagesspiegel“ den „Tagesstürmer“.

Julius Geiler hat im November-Heft des vom Deutschen Journalisten-Verband herausgegebenen Magazins „journalist:in“ über Anfeindungen und Hass berichtet, die ihm nicht nur in den sozialen Medien entgegenschlagen. Er sagte der Zeitschrift: „Alles, was die Grenze der freien Meinungsäußerung übertrifft, Beleidigungen und Drohungen, bringe ich konsequent zur Anzeige. Leider werden die Verfahren oft ergebnislos eingestellt.“

Paul Brandenburg will in die Bundespressekonferenz

Brandenburg derweil reklamiert für sich die Rolle des ernstzunehmenden Journalisten, aber er füllt sie nicht aus. In seinem Profil auf X tritt er als Chef eines „Medien- und Nachrichtenunternehmens“ auf.

Ende Juli kündigte Brandenburg an, sich den Kreml-Propagandisten Florian Warweg zum Vorbild nehmen zu wollen: Warweg, einstiger Online-Chef von RT Deutsch, hatte für sein neues Medium, die verschwörungsideologischen „NachDenkSeiten“, im Juli vor dem Landgericht Berlin erstritten, an den Pressekonferenzen der Bundespressekonferenz, des Vereins der Berliner Hauptstadtkorrespondent:innen, teilnehmen zu dürfen. Die BPK hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Warweg habe mit seiner Klage den Weg geebnet, erklärte Brandenburg, auch er wolle nun den „vollumfänglichen Zugang“ zu „sämtlichen Pressekonferenzen“ der BPK. „Der geschätzte Kollege als Vertreter der neuen Medien“ solle „dort künftig nicht allein“ sein.

Die Bundespressekonferenz hatte nach der Gerichtsentscheidung im Fall Warweg einen Domino-Effekt befürchtet, mit einer Reihe von weiteren Anträgen aus dem verschwörungsideologischen Milieu. Sie äußerte sich zum Fall Paul Brandenburg auf Volksverpetzer-Anfrage nicht. Bisher gibt es aber keine Hinweise darauf, dass seinem Begehr von dem Verein stattgegeben wird.

Artikelbild: Screenshot google.com

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