Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Plattformarbeit: FDP verhindert Gesetz für Arbeiter:innenrechte

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Die EU-Mitgliedstaaten verhindern zum zweiten Mal, dass die Situation von Arbeiter:innen bei Uber & Co. verbessert wird. Eigentlich hatten sich Parlament und Rat vergangene Woche auf einen neuen Deal geeinigt. Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung, weil die FDP blockiert.

Zwei rote Ampeln nebeneinander, eine für Autos, eine für Fußgänger. Dahinter eine steinerne Gebäudewand.
Schon wieder Rot für die geplante Richtlinie. – Public Domain Pexels / Darius Krause

Die geplante EU-Richtlinie zur Plattformarbeit ist erneut an den Mitgliedsstaaten gescheitert. Eigentlich hätten am Freitag die Botschafter:innen dem Gesetz ihre Zustimmung erteilen sollen. Stattdessen stimmten Frankreich, Estland, Griechenland aber gegen das Gesetz, Deutschland enthielt sich. Damit unterstützten zwar 23 von 27 Mitgliedstaaten das Gesetz, es konnte aber nicht den notwendigen Anteil der EU-Bevölkerung hinter sich versammeln.

Die Richtlinie hätte eine „qualifizierte Mehrheit“ von 65 Prozent der EU-Bürger:innen gebraucht. Zustande gekommen sind 63 Prozent. Hätte einer der vier Staaten stattdessen für das Gesetz gestimmt, wäre die notwendige Mehrheit zustande gekommen. Deutschland hat sich bisher bei allen Abstimmungen zu der Richtlinie enthalten, weil die FPD eine Zustimmung blockiert.

Schon erster Kompromiss gescheitert

Es war bereits der zweite Anlauf für die geplante Richtlinie. Bereits im Dezember hatten die Mitgliedstaaten einen ersten Kompromiss abgelehnt, weil sie darin zu viele Zugeständnisse an die arbeiter:innenfreundliche Position des EU-Parlaments sahen. Das war bereits ungewöhnlich: Normalerweise stehen Einigungen aus den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen Rat und Parlament fest.

Die beiden Institutionen mussten sich deshalb im neuen Jahr erneut zusammensetzen. Sie einigten sich schließlich auf einen neuen Entwurf, der die Richtlinie in ihren zentralen Punkten deutlich abschwächte. Selbst diese geht aber anscheinend einigen EU-Regierungen und der FDP noch zu weit.

Gegen Scheinselbstständigkeit

Die EU-Kommission hatte das Gesetz 2021 vorgeschlagen, um die Rechte von Arbeiter:innen auf Plattformen wie Uber oder Deliveroo zu stärken. Viele dieser Menschen gelten juristisch als selbstständig. Damit haben sie mehr Freiheiten, aber ihre Arbeitgeber:innen auch weniger Pflichten: Sie sind etwa nicht an den Mindestlohn gebunden oder zahlen nicht in Rentenfonds ein. Wenn Arbeiter:innen dagegen vorgehen wollen, ist das oft ein jahrelanger Prozess. Sie müssen dann vor Gericht aufwendig beweisen, dass sie eigentlich doch Angestellte sind. Das wollte die Richtlinie umdrehen.

Zentrales Werkzeug dafür ist die sogenannte Annahme eines Angestelltenverhältnisses. Plattformen sollten in Zukunft beweisen müssen, dass Arbeiter:innen nicht als Angestellte gelten sollen. Dafür enthielt der erste Entwurf der EU-Kommission fünf Kriterien, an denen ein Arbeitsverhältnis gemessen werden sollte. Dazu gehört etwa, ob eine Plattform die Höchstgrenze der Bezahlung von Arbeiter:innen festlegt. Klare Kriterien, einheitlich in der gesamten EU – so die Idee.

Verwässerte Version

Diese Kriterien waren in dem Entwurf, über den die Mitgliedsstaaten am Freitag abstimmten, bereits nicht mehr enthalten. Sie konnten in den neuen Verhandlungen nach Weihnachten durchsetzen, dass die Kriterien völlig aus dem Text gelöscht wurden. Stattdessen sollten die Mitgliedstaaten weitgehend frei eigene Kriterien festlegen können, an denen ein Angestelltenverhältnis gemessen werden sollte.

Damit hätte eine unternehmensfreundliche Regierung wie die Macrons in Frankreich weichere Regeln festlegen können, während etwa die sozialdemokratische Regierung Spaniens wahrscheinlich eher härtere beschlossen hätte. Das Ergebnis: Europa wäre gespalten geblieben, die Richtlinie hätte damit ihr zentrales Ziel verfehlt.

Trotzdem sah der Kompromiss weiterhin umfassende neue Rechte im Bereich algorithmisches Management vor – also zu Software, die menschlichen Angestellten Anweisungen geben oder Entscheidungen über sie treffen darf. Unternehmen hätten Arbeiter:innen etwa beteiligen müssen, wenn sie solche Systeme neu einführen wollten. Außerdem sollten Arbeiter:innen sich erklären lassen dürfen, auf Grundlage welcher Daten Systeme Entscheidungen über sie getroffen hätten.

„Auch die Verantwortung von Bundeskanzler Scholz“

Befürworter:innen der Richtlinie kritisierten das Scheitern der Richtlinie scharf. „Dass neben Frankreich auch die deutsche Bundesregierung der Richtlinie nicht zugestimmt hat, ist beschämend“, sagte der EU-Parlamentarier Andreas Rasmussen (Grüne, Deutschland). „Ich verstehe nicht, wie ein sozialdemokratischer Bundeskanzler eine Enthaltung beim Schutz von Beschäftigten rechtfertigen kann. Dass Millionen von Beschäftigten auch weiter unter schlechten Arbeitsbedingungen und Dumpinglöhnen leiden, ist auch die Verantwortung von Bundeskanzler Scholz.“

„Schande über Macron“, sagte Leïla Chaibi, französische Linken-Abgeordnete im EU-Parlament und Schattenberichterstatterin zur Richtlinie.

Ludovic Voet, zuständiger Gewerkschaftssekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds, kritisierte die Lobbyverbindungen von Plattformfirmen. Er forderte nun die Regierungen der 23 Mitgliedstaaten, die das Gesetz unterstützten, zu Eigeninitiative auf: „Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen jetzt handeln, um nicht Millionen an hart arbeitenden Menschen für Ausbeutung verwundbar zu lassen“, sagte er am Freitag.07ddc4a205e243aeaf278fef459ecadc


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel

Author: Maximilian Henning

Wahlprogram der spd im kölner norden 2020 2025. The milwaukee bucks are sizzling hot.