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Polizeiliche Datenanalyse: Innenausschuss diskutiert Palantir-Alternativen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Polizeiliche DatenanalyseInnenausschuss diskutiert Palantir-Alternativen

Eigentlich wollte die Union im Innenausschuss des Bundestags darauf hinwirken, dass die Palantir-Polizei-Software dem bayerischen Vorbild folgend auch im Bund eingesetzt wird. Doch außer den Polizeivertretern sprach sich niemand dafür aus. Es gibt auch keine Rechtsgrundlage. Stattdessen wurde darüber diskutiert, welche Alternativen zur Verfügung stünden.


Constanze – in Datenschutz2 Ergänzungen
Mit der Polizei-Palantir-Software hat dieses Symbolbild wenig zu tun, sie soll eher aussehen wie ein Windows 95. – Public Domain generiert mit Midjourney

Der Innenausschuss des Bundestags behandelte heute in einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen das Thema polizeiliche Analysesoftware. Grund war ein Antrag der oppositionellen Fraktion CDU/CSU (pdf), in dem gefordert wird, dass dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei „schnellstmöglich die Nutzung der verfahrensübergreifenden Recherche- und Analyseplattform ‚Bundes-VeRA‘ zu genehmigen“ sei. Die Entscheidung des Bundesinnenministeriums vom Juli 2023 solle revidiert werden. Sie untersagt dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei die Nutzung von „Bundes-VeRA“.

Es geht dabei um eine Software des umstrittenen US-amerikanischen Überwachungskonzerns Palantir, dessen deutsche Tochter ihre Dienste den hiesigen Polizeibehörden für ein „Verfahrensübergreifendes Recherche- und Analysesystem“ (VeRA) anbietet. Die Software verbindet die verschiedenen Datenbanken der Polizei miteinander. Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag, dass auch die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, damit die Bundesländer und ihre Landespolizeien diese polizeiliche Analysesoftware „VeRA“ abrufen können. Eine entsprechende Gesetzesänderung solle auf den Weg gebracht werden.

Palantir steht nicht nur in der Kritik, weil der Konzern eng mit ausländischen Geheimdiensten und Militärs zusammenarbeitet, sondern auch, weil die Software technische und erhebliche rechtliche Probleme aufwirft. Letztes Jahr wurde die Polizei-Palantir-Kooperation daher durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts deutlich beschränkt.

Noch mehr Verfassungsbeschwerden

Seither gelten detailreiche verfassungsrechtliche Anforderungen mit quantitativen und qualitativen Grenzen in Bezug auf die Art der Daten, mit der die Software gefüttert werden darf. Daran müssen sich sowohl die Gesetzgeber als auch die Polizeien halten. Zudem dürfte sich das Gericht in naher Zukunft erneut mit Fragen der automatisierten Datenanalyse bei der Polizei beschäftigen, denn weitere Verfassungsbeschwerden mit Palantir-Bezug liegen in Karlsruhe schon vor, so etwa seit Oktober 2023 eine Beschwerde gegen das NRW-Polizeigesetz.

Die geladene Sachverständige Simone Ruf von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), deren erfolgreiche Verfassungsbeschwerde bereits zu dem letztjährigen Karlsruher Urteil geführt hatte, erläuterte in der Anhörung, dass auch die Neuregelung in Hessen kritikwürdig sei. Der hessische Gesetzgeber hatte bereits auf das höchstrichterliche Urteil reagiert und eine neue Rechtsgrundlage geschaffen. Ruf erklärte dazu, diese sehe „nicht verfassungskonform aus“. Sie kritisiert an der neuen hessischen Regelung, dass wiederum riesige Datentöpfe in die Analysesoftware integriert seien und zudem die Polizei selbst Fragen der Verhältnismäßigkeit austariert. Auch die Kontrolle sei nicht hinreichend.

Ruf erklärte, dass eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Palantir-Software im Bund fehle, die aber zwingend geschaffen werden müsse. Auch der geladene Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber betonte, dass eine „spezielle rechtliche Grundlage nötig“ sei. Aktuell könne die Palantir-Software im Bund nicht zum Einsatz kommen, da diese Rechtsgrundlage erst geschaffen werden müsse.

Generell rate die GFF von einem Einsatz von „Bundes-VeRA“ ab, so Ruf. Grund sei die „enorme Streubreite“ dieser Software und das „hohe Risiko falscher Verdächtigungen“. Auch seien bloße „Anekdoten“ über die angebliche Effizienz der Palantir-Software nicht hinreichend, denn der Einsatz sei durch große Intransparenz geprägt.

Palantir

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Die Juristin von der GFF kritisierte auch, dass „VeRA“ zwar getestet wurde, die Berichte aber nicht öffentlich seien. Im Jahr 2023 hatte das Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie eine Quellcode-Überprüfung des in Bayern eingesetzten Systems durchgeführt, die Ergebnisse blieben aber geheim. Zudem müssten solche Tests fortlaufend wiederholt werden, so Ruf. Es genüge nicht, die Software einmalig zu prüfen.

Polizei braucht Datenanalyse-Werkzeuge

Einig waren sich alle geladenen Sachverständigen und Verbandsvertreter darin, dass die Polizeien Datenanalyse-Werkzeuge benötigen, um ihre verschiedenen Datenbanken in angemessener Zeit durchforsten zu können. Für die rechtliche und technische Ausgestaltung gab es hingegen verschiedene Vorschläge. Der Sachverständige Markus Löffelmann schlug beispielsweise vor, ein Stufensystem gesetzlich festzuschreiben, das die Polizeidaten kategorisiere, um sie qualitativ zu bewerten und damit Zugriffsschwellen ausgestalten zu können.

Das bayerische Landeskriminalamt beschreibt in seiner kurzen Stellungnahme kursorisch die Notwendigkeit von polizeilichen Datenanalysen. In der Anhörung verweist der bayerische Polizeivertreter auf das Vertragskonstrukt und den Mantelrahmenvertrag mit der Palantir Technologies GmbH, der nach einer europaweiten Ausschreibung für das Analyseprogramm im Jahr 2022 geschlossen wurde.

NRW, Hessen und Bayern sind aktuell Palantir-Kunden. Hamburg und Berlin prüfen derzeit die Optionen zur Nutzung solcher Software zur automatisierten Datenanalyse.

Die Verträge seien mit dem Bundesinnenministerium „extra so gewählt und abgestimmt“ worden, um den Einsatz sowohl in Bayern als auch als „Bundes-VeRA“ zu ermöglichen. Der Rahmenvertrag, den Bayern mit Palantir geschlossen hat, erlaubt es theoretisch allen anderen Polizeibehörden der Länder und des Bundes, die Software zu nutzen.

Die meisten Bundesländer haben aber noch keine Entscheidung gefällt, ob sie ebenfalls die Palantir-Software nutzen wollen. Der Idee konkret zugeneigt sind bisher nur wenige Länder. Das mag laut dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Hartmann, auch daran liegen, dass man in Bayern schon jahrelang Lizenzgebühren zahle, aber noch immer keine funktionierende Lösung zur Verfügung stünde.

Keine Erwähnung findet in der Stellungnahme des bayerischen Landeskriminalamts der Streit um den rechtswidrigen Testbetrieb im Freistaat.

Wann kann die Konkurrenz liefern?

Der Vertreter des Bundes Deutscher Kriminalbeamter betonte, dass die polizeilichen Praktiker bereits seit 2016 auf eine technische Lösung warten würden. Eine gemeinsame Verwendung der Palantir-Software würde die polizeiliche Zusammenarbeit erheblich erleichtern, argumentiert auch das bayerische Landeskriminalamt. Es „wäre schlicht auch finanziell deutlich günstiger“, wird in der Stellungnahme behauptet. Offen bleibt allerdings, auf welchen Kostenvergleich sich das bayerische Landeskriminalamt hier bezieht.

So sehr sich die zwei geladenen Polizeivertreter bemühten, die Palantir-Software in gutem Lichte darzustellen und auf ihren baldigen bundesweiten Einsatz zu dringen, so sehr hielten die Verbands- und Unternehmensvertreter dagegen. Sie vertraten auch Unternehmen, die in direktem Wettbewerb zu Palantir stehen. Der US-Konzern selbst war aber nicht vertreten. So drehte sich ein Großteil der Anhörung um die Frage, welche alternativen, am liebsten deutschen Anbieter denn in welchem Zeitrahmen Lösungen für die in angeblich lauter Daten ertrinkenden Polizisten liefern könnten.

Christine Skropke, die Leiterin Public Affairs beim deutschen Palantir-Konkurrenten Secunet, antwortete nach mehrmaligem Drängen dann auf die Frage, wann denn eine Alternative fertig sei, mit der Angabe, dass ein deutsches Konsortium von Unternehmen in sechs bis zwölf Monaten eine vergleichbare Software liefern könne. Sie ließ aber auch gleich wissen, dass es dazu eine ordentliche „Anschubfinanzierung“ geben müsse.

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Author: Constanze

Spd landtagsabgeordnete lena teschlade.