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Pressefreiheit: Frankreich nimmt Journalist*innen in die Mangel

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
In Frankreich sind vergangene Woche mehrere Journalist*innen von Sicherheitsbehörden durchsucht und verhört worden. Es geht um geleakte Geheimdokumente. Französische Medien kritisieren die Ermittlungen scharf und fordern besseren Quellenschutz. Auf EU-Ebene wird ein solches Gesetz gerade verhandelt.
Die Festnahme der Investigativjournalistin Arianne Lavrilleux hat in Frankreich zu Protesten geführt. Journalist*innen sehen den Quellenschutz in Gefahr und sprechen von Einschüchterung. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ABACAPRESSIn Frankreich gehen die Sicherheitsbehörden gegen investigative Journalist*innen vor. Vergangene Woche wurden gleich in mehreren Fällen Journalist*innen verhört und durchsucht. Ziel sind anscheinend auch die Hinweisgeber*innen. Reporterorganisation kritisieren: Die Einschüchterungen hätten System in Frankreich. Ein europäisches Gesetz könnte Journalist*innen und ihre Quellen zukünftig besser schützen, doch dagegen sperren sich EU-Länder.
Im Fokus der aktuellen Debatte steht die französische Journalistin Ariane Lavrilleux. Sie deckte 2021 für das Magazin „Disclose“ auf, dass der französische Militärgeheimdienst DRM mit der ägyptischen Regierung zusammenarbeitete und dabei auch indirekt an Hinrichtungen beteiligt war.
Journalistin kommt erst nach 39 Stunden frei
Wegen dieser Recherche wurde die Journalistin am Dienstag festgenommen. Beamte des französischen Inlandsgeheimdienstes durchsuchten ihre Wohnung sowie ihre digitalen Geräte. Anschließend wurde Lavrilleux auf einer Polizeiwache verhört und kam erst nach 39 Stunden wieder frei. Die Sicherheitsbehörden sind wohl auch auf der Suche nach Lavrilleuxs Quelle. Dieser drohen laut Süddeutscher Zeitung wegen Landesverrats bis zu sieben Jahre Haft.
Das Verhör wurden von Protesten in mehreren französischen Städten begleitet. Am Tag nach der Freilassung veröffentlichten viele französische Medien eine gemeinsame Erklärung, darunter LeMonde und Radio France. Darin schreiben Sie: „Die Verhaftung unserer Kollegin […] stellt einen beispiellosen Angriff auf den Schutz des Quellengeheimnisses von Journalisten dar, das nach den Worten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einen der ‚Eckpfeiler der Pressefreiheit‘ bildet.“
Einer Demokratie unwürdig
Auch die Tageszeitung Libération unterzeichnete die Erklärung. Gleich am selben Tag gerieten drei ihrer eigenen Journalist*innen ins Visier. Die Polizei lud Ismaël Halissat, Fabien Leboucq und Antoine Schirer vor, weil diese zu einem Vorfall im Jahr 2022 recherchierten. Dabei hatte ein Polizist einen 23-Jährigen in seinem Auto erschossen. Auch diese Recherche berief sich auf interne Dokumente.
Laut Libération wirft die Staatsanwaltschaft den Journalisten „Verletzung des Untersuchungsgeheimnisses“, „Hehlerei bei der Verletzung des Untersuchungsgeheimnisses“ und „öffentliche Diffamierung aufgrund der Funktion oder der Eigenschaft eines Beamten der öffentlichen Gewalt“ vor. Liberation bezeichnete die Verfahren als „eines demokratischen Landes unwürdig“.
Umstrittener Paragraph im Presserecht
Für etliche französische Journalist*innen sind diese Einschüchterungsversuche keine Einzelfälle. Verfahren gegen Journalist*innen hätten in den letzten Jahren zugenommen, so die gemeinsame Erklärung. „Diese gravierende Situation […] muss alle Personen mobilisieren, denen die Informationsfreiheit in Frankreich am Herzen liegt.“ Die Veröffentlichung von internen Informationen sei täglicher Teil der Arbeit, man tue dies mit Verantwortung, anhand ethischer Richtlinien und im alleinigen Interesse, die Öffentlichkeit zu informieren. Die Journalist*innen warnen: „Ohne Garantien für den Schutz unserer Quellen ist die Ausübung unseres Berufs selbst gefährdet.“
Die französische Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert angesichts der Festnahmen eine Reform des französischen Pressegesetzes. Dessen Bestimmungen zum Quellenschutz seien 2010 erheblich aufgeweicht worden, so RSF. Seitdem dürften Ermittler*innen die Vertraulichkeit der Quellen von Journalist*innen „direkt oder indirekt“ verletzen, wenn ein „übergeordnetes Erfordernis im öffentlichen Interesse“ besteht. RSF kritisiert diese Formulierung als zu vage und fordert eine Änderung.
Streit zu Quellenschutz in der EU
Doch statt einer Reform in Frankreich könnte diese Gesetzeslage bald auch auf EU-Ebene gelten. Denn eine praktisch wortgleiche Passage („overriding requirement in the public interest“) findet sich auch im Entwurf des EU-Ministerrats zum European Media Freedom Act (EMFA). Dies wäre eine weitreichende Ausnahme des Schutzes von Journalist*innen vor Durchsuchungen, Überwachung und Staatstrojanern.
Das kritisiert Ricardo Gutiérrez, Generalsekretär des Europäischen Journalistenverbandes EJF, anlässlich der Festnahme von Lavrilleux: „Die französische Regierung, die gerade in skandalöser Weise den Entwurf der europäischen EMFA-Verordnung geändert hat, um die Bespitzelung von Journalisten zu legalisieren, ist ein Beispiel für eine pressefeindliche Politik und für das Recht der Bürger auf Zugang zu Informationen.“
Doch so weit ist es noch nicht, auch das EU-Parlament kann beim EMFA mitreden. Die Abgeordnete Petra Kammerevert sagt auf Anfrage von netzpolitik.org: „Der Fall von Ariane Lavrilleux zeigt eindrucksvoll, wieso der EMFA eine Verbesserung des Schutzes von Journalist*innen liefern muss.“ Laut der SPD-Abgeordneten schütze die Parlaments-Version des EMFA Journalist*innen beispielsweise vor Inhaftierungen, wenn diese darauf abzielten, Zugang zu journalistischen Quellen zu erzwingen.
Anders als der Entwurf des Ministerrats sieht das Parlament derzeit auch keine Ausnahmen aus Gründen der Gefährdung der nationalen Sicherheit vor. „Die französische Polizei hätte nach den zur Abstimmung stehenden Regeln vermutlich nicht so handeln können, um an die Quellen von Frau Lavrilleux zu kommen. Genau das war aber das Ziel der Verhaftung“, so Kammerevert.
Das Parlament beschließt seine Position voraussichtlich am 3. Oktober. Dann wäre der Weg frei für den Trilog, also die Verhandlungen von Kommission, Parlament und Mitgliedsstaaten über den finalen Text.
 

Hier die mit Deepl übersetzte gemeinsame Erklärung französischer Medien zur Festnahme von Arianne Lavrilleux.

(veröffentlicht am 21.09.23 um 13.14 Uhr)
Ariane Lavrilleux in Polizeigewahrsam: „Die Ausübung des Journalistenberufs selbst ist in Gefahr“, warnen Journalistengesellschaften
Die Journalistin des investigativen Mediums „Disclose“ wird strafrechtlich verfolgt, weil sie Informationen über die Operation „Sirli“ veröffentlicht hat, die ab 2015 von der französischen Armee im Auftrag der ägyptischen Machthaber durchgeführt wurde.
Wir, Journalisten und Mitglieder von Journalistengesellschaften, unterstützen die unabhängige Journalistin Ariane Lavrilleux, die am Dienstag, den 19. und Mittwoch, den 20. September in Polizeigewahrsam genommen und deren Wohnung fast zehn Stunden lang durchsucht wurde, nachdem sie 2021 mit dem investigativen Medium Disclose Enthüllungen über Operationen der französischen Armee in Ägypten gemacht hatte. Die Untersuchung betraf die Operation „Sirli“, die ab 2015 von der Direktion für Militärische Aufklärung (DRM) im Auftrag der Diktatur von Marschall Abdel Fattah Al-Sissi durchgeführt wurde.
Die Verhaftung unserer Kollegin im Rahmen einer gerichtlichen Untersuchung, die wegen „Gefährdung des nationalen Verteidigungsgeheimnisses“ und „Enthüllung von Informationen, die zur Identifizierung eines geschützten Agenten führen können“ aufgrund einer Beschwerde des Armeeministeriums eingeleitet wurde, stellt einen beispiellosen Angriff auf den Schutz des Quellengeheimnisses von Journalisten dar, das nach den Worten des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einen der „Eckpfeiler der Pressefreiheit“ bildet.
Diese gravierende Situation, die sich vor dem Hintergrund der Zunahme von Verfahren gegen Journalisten in den letzten Jahren (Vorladungen durch die Generaldirektion für innere Sicherheit, versuchte Durchsuchung einer Redaktion usw.) abspielt, muss alle Personen mobilisieren, denen die Informationsfreiheit in Frankreich am Herzen liegt. Wir appellieren daher an die Ministerin für Kultur und Information, Rima Abdul Malak, und an den Präsidenten der Republik, Emmanuel Macron, die Stärkung des Quellenschutzes für Journalisten und die Unabhängigkeit der Redaktionen zu einem vorrangigen Thema der „Etats généraux de l’information“ zu machen, die am 3. Oktober eröffnet werden sollen.
Unsere Arbeit besteht darin, täglich in jeder unserer Redaktionen und in der Vielfalt unserer Redaktionslinien Informationen zu veröffentlichen, die auf vertraulichen Dokumenten beruhen, die allen Arten von Geheimnissen unterliegen, einschließlich des „Verteidigungsgeheimnisses“, wenn die Themen die Armee und den Verteidigungssektor betreffen. Wir tun dies in Verantwortung, indem wir die Sensibilität des Materials, das wir sammeln, abwägen, ohne Sensationslust und unter Einhaltung der ethischen Regeln, die unseren Beruf regeln, in dem alleinigen Bestreben, die Öffentlichkeit über Themen von allgemeinem Interesse zu informieren. Ohne Garantien für den Schutz unserer Quellen ist die Ausübung unseres Berufs selbst gefährdet.
Unterzeichner: die Journalisten- und Redakteursgesellschaften von AFP, Arrêt sur images, BFM-TV, Challenges, Courrier international, Epsiloon, Franceinfo. fr, FranceTVinfo, France 3 rédaction nationale, France Télévisions rédaction nationale, Indigo Publications, L’Express, L’Humanité, L’Informé, L’Obs, L’Usine nouvelle, La Tribune, La Vie, LCI, Le Figaro, Le Monde, Le Parisien, Le Point, Les Echos, Libération, M6, Marianne, Mediapart, NRJ, Paris Match, Public Sénat, Premières Lignes, Radio France, RFI, RMC, RTL, Sud Ouest, Télérama, TF1, 60 Millions Konsumenten sowie der Verband Profesion: pigiste.

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Author: Leonhard Pitz

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