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Recht auf Reparatur: Warum wir endlich eine Kreislaufgesellschaft brauchen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Am Mittwoch hat der EU-Binnenmarktausschuss einen Bericht veröffentlicht, der den im März von der Kommission vorgelegten Verordnungsentwurf zu einem „Recht auf Reparatur“ deutlich verbessert. Von einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft sind wir aber nach wie vor meilenweit entfernt. Ein Kommentar.

illustration of sandy terrain with non biodegradable waste pollutants in sunny day
Um die Müllberge zu verkleinern, braucht es mehr als ein „Recht auf Reparatur“ – Public Domain Midjourney (illustration of sandy terrain with non biodegradable waste pollutants in sunny day)

Maximilian Voigt arbeitet für die Open Knowledge Foundation Deutschland an den Themen Open Education und Open Hardware. 2022 startete er den Prototype Fund Hardware.

Die meisten Elektrogeräte landen hierzulande mutmaßlich noch immer in der Schublade, im Keller oder im Hausmüll. Schätzungen zufolge liegen in deutschen Haushalten allein rund 210 Millionen Alt-Handys ungenutzt herum. Landen Elektrogeräte in der Mülltonne, werden sie meist geschreddert und verbrannt; nur ein Bruchteil von ihnen wird recycelt oder für die Wiederverwendung aufbereitet.

Die Quote der Geräte, die unter anderem von Geschäften wieder zurückgenommen und umweltverträglich entsorgt werden, liegt derzeit bei nur rund 43 Prozent. Im Jahr 2021 gab es zwischenzeitlich sogar einen Einbruch auf weniger als 40 Prozent, wie Statistiken des Umweltbundesamtes zeigen. Damit verfehlt die Bundesrepublik das im § 10 Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) gesteckte Ziel von 65 Prozent bislang deutlich.

Binnenmarktausschuss stärkt „Recht auf Reparatur“

Die Hoffnung, den Müllberg zu verkleinern, ruht derzeit auch auf der EU. Sie verabschiedete in diesem Jahr unter anderem eine neue Batterieverordnung sowie ein Energy Labelling und Ökodesignanforderungen für Smartphones und Tablets. Weitere Fortschritte soll nun das „Recht auf Reparatur“ bringen, den entsprechenden Verordnungsentwurf hat die EU-Kommission im März dieses Jahres vorgelegt.

Am vergangenen Mittwoch hat der der Binnenmarktausschuss des EU-Parlaments (IMCO) mit 38 Ja-Stimmen und zwei Nein-Stimmen den Parlamentsentwurf für ein „Recht auf Reparatur“ unterstützt – wenn auch mit einer Reihe von Änderungen. Diese verbessern den Vorschlag der Kommission signifikant.

Demnach sollen unter anderem nicht mehr nur qualifizierte Reparateure, sondern alle Bürger:innen einen umfassenden Zugang zu Geräte-Informationen und Ersatzteilen erhalten. Sie sollen sich künftig für eine Reparatur auch direkt an den Hersteller statt zunächst an den Händler wenden können. Nach der Reparatur haften Hersteller wie Werkstätten ein Jahr lang. Außerdem fordert der Bericht, Ersatzteile günstiger verfügbar zu machen, etwa indem Alternativen zu den Originalersatzteilen mit Hilfe von 3D-Druckern erstellt werden. Darüber hinaus will der Ausschuss rechtliche und gestalterische Praktiken unterbinden, die eine Reparatur von Elektrogeräten erschweren.

Allerdings sollen sich die neuen Regelungen auf bestimmte Produktgruppen beschränken, wie Waschmaschinen, Trockner, Staubsauger, Spülmaschinen, Kühlgeräte und elektronische Displays (siehe S. 30 des IMCO-Berichts). Das europäische Bündnis „Right to Repair“ kritisiert, „dass der breitere Zugang nur für neun Produktkategorien gewährt wird, die derzeit unter die Ökodesign-Anforderungen fallen, sowie für Fahrräder. Diese Auswahl lässt leider die problematischsten und nicht zu reparierenden Produkte außen vor.“ Außerdem könnten Hersteller künftig allzu leicht die Reparaturpflicht umgehen: Solange es günstiger ist, ein Gerät zu ersetzen statt es zu reparieren, kann der Hersteller laut Ausschuss-Bericht nicht zu einer Reparatur verpflichtet werden.

Es fehlt eine grundsätzliche Debatte

So vielversprechend der Bericht trotz dieser Einwände auch ist, noch ist er nicht beschlossen. Hinzu kommt, dass er in allererster Linie nur versucht, jene Freiheiten der „Verbraucher:innen“ zurückzugewinnen, die einst selbstverständlich waren, wie etwa der einfache Austausch eines Akkus.

Nach wie vor fehlt eine grundsätzliche Debatte darüber, wie ein alternatives Verständnis von Technologie und ihres nachhaltigen Nutzens für die Gesellschaft aussehen könnte. Sie ist aber eine notwendige Voraussetzung dafür, dass eine solche Wende gelingt.

Bereits vor einigen Jahren hat eine Forschungsgruppe unterschiedliche Diskurse rund um das Konzept „Circular Economy“ analysiert. Sie kam damals zu dem Schluss, dass die Frage nach einer sinnvollen Kreislaufwirtschaft oftmals unbeantwortet bleibt und die selbstgesteckten Ziele in der Umsetzung verfehlt werden.

Die Forschenden machten dafür vor allem eine Ursache aus: Jedwede Bemühungen, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen – und dazu zählen auch bereits bessere Möglichkeiten, Elektrogeräte zu reparieren –, klammern allzu oft zentrale ökologische, ökonomische und soziale Grundfragen aus. Diese Fragen seien aber zentral, um den Elektro-Müllhaufen auf Dauer zu verkleinern.

Ein lebendiger Kreislauf

Über das der EU geplante „Recht auf Reparatur“ hinaus bräuchten wir ein grundlegendes Umdenken. Statt unsere Elektrogeräte als fertige, für einen „Endverbraucher“ geschaffene Objekte zu verstehen, sollten wir sie vielmehr als Teil eines lebendigen Kreislaufs begreifen.

Dieser Kreislauf sollte so gestaltet sein, dass Produkte repariert sowie an unterschiedliche Zwecke und Bedingungen angepasst werden können. Warum kann beispielsweise ein Küchenmixer nicht auch als Knetmaschine oder als Ventilator dienen? Ein optimiertes Motormodul würde all diese unterschiedlichen Funktionen ermöglichen.

Das aber setzt modulare und partizipative Designs voraus, an denen technisch versierte Menschen mitarbeiten können, etwa um passende Erweiterungen zu entwickeln – ähnlich wie es schon im Software-Bereich üblich ist. Reparaturen könnten so leichter erfolgen und günstiger werden, da alle dafür erforderlichen Informationen bereitstehen, Ersatzteile vor Ort gefertigt und viele Menschen daran mitarbeiten könnten, die Geräte zu erhalten.

Wir brauchen alternative Ansätze

Dieses auch als „Open Source Hardware“ bezeichnete Konzept verfolgt das Ziel, Technik gezielt für eine Kreislaufgesellschaft zu gestalten. Andere Ansätze konzentrieren sich auf konviviale Technologien, die durch ihren einfachen Aufbau und ihre Naturbezogenheit einfach und nachhaltig einsetzen lassen. Wieder andere Ansätze entstammen der Post-Automation-Bewegung. Deren Anhänger hacken, unterwandern und eignen sich weitgehend automatisierte Technologien an, um sie kreativ zu kooperativen Zwecken zu verwenden.

Die Pläne der EU für ein Recht auf Reparatur sollten daher nur der Anfang dafür sein, dass wir uns mit diesen alternativen Konzepten befassen. Statt uns nur damit zufrieden zu geben, dass einst selbstverständliche Freiheiten wiederhergestellt werden, könnten wir die Gestaltung unserer Zukunft so selbst in die Hand nehmen.


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Author: Gastbeitrag

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