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Reporter ohne Grenzen: Viele Angriffe auf Journalist:innen in Deutschland

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Reporter ohne GrenzenViele Angriffe auf Journalist:innen in Deutschland

Obwohl die Gewalt gegen Journalist:innen in Deutschland in 2023 zurückgegangen ist, liegt die Zahl der Übergriffe immer noch weit über jener vor der Corona-Pandemie. Das konstatiert ein neuer Bericht von Reporter ohne Grenzen. Die Gefahr kommt meist von rechts, betroffen war auch netzpolitik.org.


Tomas Rudl – in Öffentlichkeitkeine Ergänzungen
So manche Proteste des Vorjahres fielen unter anderem mit Demokratiedefiziten auf. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Bihlmayerfotografie

Nach einem dramatischen Anstieg während der Corona-Pandemie ist die Zahl gewalttätiger Übergriffe auf Journalist:innen in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen. Das geht aus dem heute veröffentlichen Bericht „Nahaufnahme Deutschland“ der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hervor. 2022 hatte ROG einen Höchststand von mehr als 100 Angriffen gezählt. 2023 waren es „nur“ noch 41 Übergriffe, was immer noch rund drei Mal so viele Fälle sind wie vor der Pandemie.

„Im vergangenen Jahr wurden Reporter wieder verprügelt, ihre Ausrüstung wurde zerstört und ihnen wurde im Internet massiv gedroht“, sagt ROG-Vorstandsmitglied Michael Rediske in einer Pressemitteilung. Zu den dokumentierten Fällen komme eine hohe Dunkelziffer, führt der Bericht weiter aus. Außerdem lasse sich eine neue Form von Angriff auf die Pressefreiheit beobachten: So wurden im Februar 2024 in mehreren Städten die Zufahrten von Presseverteilzentren und Druckereien unter anderem mit Traktoren zugestellt, um die Auslieferung von Zeitungen zu verhindern.

Insgesamt komme ein Großteil der Angriffe aus der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Ecke, schreibt Reporter ohne Grenzen. Mit Sachsen steche ein Bundesland besonders hervor, dort ereigneten sich ROG zufolge 12 verifizierte Angriffe. Dahinter folgen Bayern mit 6 und Berlin sowie Nordrhein-Westfalen mit jeweils 5 Vorfällen.

Bedrohung von rechts

Entsprechend bedroht sind Journalist:innen, die über einschlägige Szenen berichten. So hetzten etwa AfD-Mitglieder öffentlich gegen die Enthüllungsplattform Correctiv und einzelne Reporter:innen, die Anfang des Jahres über ein Rechtsaußen-Geheimtreffen in Potsdam berichtet hatten. Auch soll ein Correctiv-Reporter einen anonymen Drohanruf erhalten haben, so der Bericht.

Von solchen Einschüchterungsversuchen blieb auch netzpolitik.org nicht verschont, das gemeinsam mit Correctiv eine Folgerecherche im rechten IT-Umfeld veröffentlicht hatte. Neben einer Vielzahl wütender E-Mails – leider inzwischen Alltag im journalistischen Bereich – erhielten wir zudem eine Bombendrohung, die so konkret ausfiel, dass wir Anzeige bei der Polizei erstatteten. Unsere Berichterstattung beeinflussen solche Methoden nicht.

Europäische Medienpolitik und Staatstrojaner

In einer Analyse der politischen Rahmenbedingungen greift Reporter ohne Grenzen unter anderem den European Media Freedom Act (EMFA) heraus, der im März 2024 endgültig verabschiedet wurde. Das Gesetz enthalte erstmals EU-weite Regeln, welche die redaktionelle Unabhängigkeit der Redaktionen stärken, politische und wirtschaftliche Einmischung verhindern und die Risiken der Medienkonzentration begrenzen sollen, lobt die NGO. Außerdem verbessere er den Quellenschutz und mache Fortschritte gegen die Überwachung von Journalist:innen. Allerdings überlasse der EMFA den einzelnen EU-Ländern, bei einer Gefährdung der nationalen Sicherheit gegebenenfalls Journalist:innen mit Staatstrojanern zu hacken und zu überwachen.

Generell warnt ROG vor der Gefahr durch staatliche Überwachung und beklagt etwa, dass weder EU-Kommission noch die EU-Länder den Empfehlungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Pegasus-Skandal folgen wollen. Damit sei absehbar, dass es auch künftig in der EU „keine wirksamen Exportkontrollen für Dual-Use-Güter wie Überwachungssoftware geben wird“, heißt es im Bericht. Der kritisiert zudem den bis heute fehlenden Kabinettsbeschluss für einen Gesetzentwurf, der die Eingriffsschwellen für den Einsatz von Spähsoftware erhöhen soll.

Überwiegend positiv sieht ROG die im Vorjahr auf Schiene gebrachten Eckpunkte für ein Gesetz gegen digitale Gewalt, wenngleich sich bis heute noch nicht einmal ein Referentenentwurf materialisiert hat. Auch das im Vorjahr in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz begrüßt ROG, kritisiert jedoch Einschränkungen, die öffentliches Whistleblowing über Medien nur als allerletzen Ausweg vorsehen.

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Author: Tomas Rudl

Spd landtagsabgeordnete lena teschlade.