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Ressourcenkampf im All

Stellen wir uns vor, wir sind im Jahr 2040: Erstmals durften Journalist:innen auf eine Pressereise in den Weltraum. Der Kampf um Ressourcen geht dort ins nächste Level. Ein Flug vorbei an Satellitenfriedhöfen und Asteroidenminen.

Nichts bereitet einen auf den Duft der Milchstraße vor. Als eine von 15 Journalist:innen weltweit bin ich vor einer Woche in die Raumfähre zur Internationalen Raumstation ISS gestiegen. Das 2028 gegründete UN-Weltraumbüro für Space Sustainability hat zur Pressereise ins All geladen. Nach der dreistündigen Überfahrt durch das Sternenmeer, bei der wir uns alle um einen Aussichtsplatz an den winzigen Fenstern der Fähre geprügelt haben, öffnet sich die Luke der krebsförmigen Raumforschungsstation, um uns in ihren metallischen Schlund herein zulassen. Im Moment des Ausstiegs, wenn die Schwerelosigkeit einsetzt, erhascht man einen Hauch Universum. Die US-Astronautin Anne McClain beschrieb dessen Duft einmal mit „metallisch verbranntem Toast“. Ich rieche Asche, Karamel und Panik.

Der extraterrestrische Müllberg wächst

Denn im Weltall ist nichts mehr, wie es einmal war. Zum einen ist die ISS nicht mehr allein in der näheren Erdumlaufbahn. Seit fast alle Erdenbürger:innen sich im letzten Jahrzehnt entweder für ein billiges Internet-Abo bei Elon Musks Starlink-Satellitensystem oder dem Amazon-Konkurrenzprodukt Project Kuiper entschieden haben, hat sich die Menge der Satelliten im All verzehnfacht: fast 80.000 schweben nun durchs Orbit. Viele von ihnen sind defekt, zentimetergroße Splitter aus Kollisionen zwischen den Satelliten oder gefrorene Treibstoffreste werden zur Bedrohung. Wenn diese Fragmente auf ihrem Weg durchs All unglaubliche Geschwindigkeiten aufnehmen, können sie eine Kraft entfalten, die andere Satelliten beim Einschlag völlig zerbersten lässt und riesige Löcher in Raumschiffe schlagen kann. Die ISS muss daher mittlerweile fast jeden Tag Ausweichmanöver fliegen, um den fatalen Splittern zu entkommen.

Kaum eine Stunde nach unserer Ankunft ist es wieder so weit: Der Alarm geht los, die Computer berechnen den schnellsten Kurs, um zu wenden. Indira Muller vom Weltraumbüro für Space Sustainability, die der Guide dieser Pressereise ist, zeigt uns auf einem riesigen Plasmabildschirm Bilder der Außenkameras der ISS: An vielen Stellen sieht man die Schäden, die Weltraumschrott in der Fassade hinterlassen hat. „2024 musste die ISS nur alle paar Monate Spacetrash ausweichen, im Jahr 2000 war es nur ein einziges Mal nötig“, erklärt Muller. Etwas nervös drücke ich meinen Luftfilter zurecht. Aber die kennen wir ja schon zu Genüge von der völlig überhitzten Erde.

Auch dort steigt die Gefahr durch Satellitenschrott-Regen jedes Jahr. Daher setzen die internationalen Weltraumbehörden nun auf e.Deorbite-Vehikel: KI-gesteuerte Müllroboter, liebevoll Space-Kraken genannt, die defekte oder sich auf Kollisionskurs befindende Satelliten identifizieren und mit ihren riesigen Armen einfangen sollen. Die neue Generation, die gerade entwickelt wird, soll zusätzlich defekte, aber noch nicht völlig zerschlissene Satelliten im Weltall selbst warten können. Also alles gut?

„Ganz im Gegenteil“, sagt Indira Muller. „Während wir mühsam Technologie erfinden, um den jedes Jahr wachsenden Müllberg in unserer Atmosphäre zu bekämpfen, bekommen Elon Musk und Jeff Bezos immer neue Genehmigungen für noch mehr Satelliten. Es ist, als hätten wir von unserer eigenen Müllverschmutzung auf der Erde nichts gelernt.“ Mittlerweile befinden sich Millionen von menschengemachten Objekten in der Erdumlaufbahn. Und die Satelliten sind nicht das größte Problem.

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Unsere Erde ist von Elektroschrott umringt, Foto: Generiert mit Midjourney und bearbeitet von Grafik Good Impact

Die Mine von 2016 ED85

Am zweiten Tag der Reise steigen wir wieder in die Weltraumfähre. Es geht zu den Asteroiden mit den wenig poetischen Namen 1986 DA und 2016 ED85. Hier sind vor zwölf Jahren gewaltige Vorkommen an Eisen und Nickel entdeckt worden. Obwohl der Weltraumvertrag von 1967 Staaten eigentlich untersagt, Himmelskörper in Besitz zu nehmen, bekamen ab den späten 2020er-Jahren immer mehr Privatkonzerne weltweit die Genehmigung für Asteroidenbergbau – auch Space Mining genannt. Ausschlaggebend war, dass der Tiefseebergbau nach seltenen Erden, Gasen und Metallen, 2024 erstmals von Norwegen genehmigt, nur fünf Jahre später international verboten wurde: zu groß die Gefahr für die Gesundheit der Weltmeere und ihrer Bewohner:innen. Aber der Hunger nach den Rohstoffen blieb.

„Dann hieß es auf einmal: Auf Asteroiden gibt es kein Leben. Und wir brauchen diese seltenen Erden und Metalle wie Nickel und Lithium für Computerchips, Batterien und Solarzellen auf der Erde“, erklärt Muller.

Als die Nickelvorkommen auf der Erde zur Neige gingen, bekam der kalifornische Konzern AstroForge schließlich vergangenes Jahr die Erlaubnis, auf 2016 ED85 Nickel abzubauen. Unsere Fähre hält lautlos etwa 200 Meter Luftlinie entfernt von dem felsigen Asteroiden, der aussieht wie eine von Algen bewachsene Seekuh. In seine Seiten bohren sich riesige graue Baggerarme der angedockten Minen-Raumschiffe. Wie Harpunen.

Auf dem Asteroiden 2016 ED85 wird nach seltenen Metallen und Erden gegraben, Foto: Generiert mit Midjourney und bearbeitet von Grafik Good Impact

Eines der Hauptargumente, mit denen der Konzern Sponsoren gewinnen konnte, um das außeriridische Metall zu fördern, war, dass 2016 ED85 irgendwann potenziell mit der Erde kollidieren könnte. Wenn man den Asteroiden also sowieso langfristig beschießen müsste, um ihn von dem für uns bedrohlichen Kurs abzubringen, warum dann vorher nicht noch ein wenig Geld machen? „Auf einem anderen Asteroiden wollen wir demnächst Versuche unternehmen, um Kobalt abzubauen“, heißt es auf der Website des Konzerns. „Dadurch soll unter anderem Kinderarbeit in den Kobaltminen der Demokratischen Republik Kongo endgültig ein Alptraum der Vergangenheit werden.“

Eine perfide Verkaufsstrategie, finden dagegen die Nachhaltigkeits-Beauftragten des Weltallbüros. Denn wer profitiert am Ende von den Einnahmen des Asteroidenbergbaus? Die reichen Staaten Europas, die USA, China und Japan. Der DR Kongo würde unterdessen eine der wenigen Einkommensquellen genommen. Noch gibt es nur zaghafte Versuche, im Weltall Minen zu betreiben. Zwar werden die Raketen von SpaceX immer nachhaltiger. Doch der Transport des Bergbau-Equipments ins All bleibt so teuer, dass nur gigantische Fördermengen von Metallen und seltenen Erden das Ganze profitabel machten. „Bis das so weit ist, ist es aber nur noch eine Frage der Zeit“, sagt Indira Muller, während wir die Seekuh 2016 ED85 langsam umkreisen.

Die Organisation fordert einen sofortigen Stopp des Weltall-Bergbaus. „Er verschleiert nur, dass wir den Verbrauch von Ressourcen nicht immer weiter steigern können. Wir müssen ihn senken“, sagt auch der südafrikanische Jurist Harvey Windson, der eine Sammelklage von Umweltorganisationen gegen den Konzern betreut. „Genauso wie den Verbrauch von Lithium oder Kobalt, die wir für die Energiewende benötigen.“ Neben einer immer größer werdenden Kontamination des Weltalls befürchten Expert:innen weltweit auch Gefahren für das Wirtschaftssystem der Erde. So könnte der Abbau von Edelmetallen und seltenen Erden zu extrem schwankenden Marktpreisen, sogar der Entwertung von Gold oder Platin führen.

Doch nicht jeder Bergbau im Weltall ist schlecht, findet ein Sprecher des European Research Institute for Space Resources (ERIS) in Deutschland, das die Bergbauexpertise aus der Lausitz auf den Mond übertragen will. Dies ist unsere letzte Station. Knapp 2 1⁄2 Tage benötigen wir für die Reise dorthin. Als der graue Trabant auf einmal vor uns auftaucht, kommen nicht wenigen die Tränen. So vertraut wirken die unzähligen Krater, die man in vielen Nächten von der Erde aus bestaunt hat. Doch zwischen den Kratern tummeln sich auf einmal auch mehrere Sonden. „Die Nasa bricht innerhalb der nächsten zwei Jahre auf, um einen Außenposten auf dem Mond zu etablieren. Das Habitat für die Wissenschaftler:innen dort müssen wir aus Regolit, also Planetenstaub und Wasser bauen. Dafür ist Space Mining unverzichtbar. Auch Trinkwasser sowie Raketentreibstoff auf Hydrogen-Basis können wir so gewinnen“, sagt ein Sprecher von ERIS.

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Die Nasa will dieses Jahr außerdem den ersten Prototypen einer „Mondtankstelle“ vorstellen, durch die Raumschiffe am Mond genau solchen Treibstoff auftanken können sollen, bevor sie zu Forschungszwecken weiterziehen. Damit soll der teure Rückweg zur Erde gespart werden. Die Sonden sollen letzte Daten zur Mondoberfläche einsammeln, bevor das nächste Mal Menschen dort landen.

Lunare Atomkraft

Die Nasa investiert derzeit viel Geld darin, einen der Wissenschaft dienlichen Abbau von Ressourcen auf dem Mond in einer Kreislaufwirtschaft möglich zu machen. Das Weltraumbüro diskutiert am vierten Tag der Reise mit uns über einen anderen Plan, an dem vor allem die chinesische Raumfahrtbehörde CNSA forscht: den Abbau von Helium-3 auf dem Mond. Mit dem auf der Erde nur sehr selten vorkommenden Gas könnte nach Ansicht einiger Wissenschaftler:innen Kernkraft in Fusionskraftwerken gewonnen werden, ohne dabei radioaktives Material zu produzieren. Nur wenige Tonnen könnten laut Berechnungen dieser Hypothese nach ausreichen, um den Energiebedarf der Erde zu decken. Auf dem Mond werden gigantische Vorkommen vermutet. „Auch hier übersehen Verfechter:innen der Kernkraft das Offensichtliche“, sagt Indira Muller. „Erstens greifen wir damit auf extrem invasive Weise in das Ökosystem des Mondes ein, ohne den es auf der Erde keine stabilen Gezeiten und Jahreszeiten gibt. Zweitens lenken wir erneut davon ab, dass nur eine Kreislaufwirtschaft auf der Erde selbst die Antwort auf die Klimakrise sein kann.“

Auf der Rückreise schwebt die Fähre an einem silbernen Raumschiff in der Form eines Speichenrades vorbei: Die Orbital Assembly Corporation hat 2036 die Voyager Station eröffnet, das erste Weltallhotel der Welt, auf der Milliardär:innen gefriergetrocknete Eis-creme mit Champagner-Geschmack mit Blick auf die Erde schlecken. Als der Heimatplanet auch für uns in Sicht kommt, drängeln wir uns wieder wie Kinder um das Fenster der Raumfähre.Ich starre hinaus. Dort schimmert sie in Blau, Weiß und Ocker. Nur das Grün, das ist immer weniger geworden.

Wichtigste Quellen

Gespräche mit Carsten Drebenstedt vom European Research Institute for Space Resources (ERIS), Haris Durrani von der Princeton University, Websites: www.astroforge.io/, voyagerstation.com , ESA-Bericht zur Weltraumumgebung 2023, www.nasa.gov/specials/artemis, Kronos Fusion Energy: Deployment of SMART Technology for Helium-3 Utilization on the Moon.

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