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Trotz Millionenbudget: EU-Rat scheitert an sicheren Videokonferenzen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Nach Ausbruch der Coronapandemie beschlossen die EU-Staaten, ein Videokonferenzsystem für Top-Secret-Treffen anzuschaffen. Doch auch ein Jahr nach dem geplanten Start lässt das System weiter auf sich warten. Zu den Gründen schweigt der Rat.
Treffen der Sicherheitsstufe geheim sind im Rat bislang nur physisch möglich – Alle Rechte vorbehalten European UnionEs stecken bereits mehrere Jahre Arbeit und ein Millionenbudget drin – und dennoch scheitert der Rat der EU-Staaten bislang an dem Versuch, ein sicheres System für Videokonferenzen einzurichten. Das neue System sollte für Besprechungen dienen, deren Inhalte den Sicherheitsstufen „Secret“ und „Top Secret“ unterliegen. Doch das System ist weiterhin nicht einsatzfähig. Das geht aus einem Dokument hervor, das der Rat infolge einer Informationsfreiheitsanfrage von netzpolitik.org unter teilweisen Schwärzungen veröffentlichte.
Die Einrichtung eines sicheren Videokonferenzsystems beschlossen die EU-Staaten im September 2020, nur wenige Monate, nachdem die Coronapandemie ausgebrochen war. Ein vertraulicher EU-Bericht hatte damals „dringende Verbesserungen“ bei der Kommunikationsinfrastruktur gefordert.
In der ersten Pandemiewelle waren physische Treffen zumeist nicht möglich. Die EU-Diplomaten griffen daraufhin vielfach auf kommerzielle Anbieter wie Zoom oder WhatsApp zurück. Diese waren mitunter nur ungenügend abgesichert. Besonders peinlich war ein Vorfall im Winter 2020, als ein niederländischer Journalist uneingeladen in ein Treffen der EU-Verteidigungsminister platzte.
Für Besprechungen auf der höchsten Sicherheitsstufe reiche die vorhandene Infrastruktur des Rates nicht aus, hieß es in einem Schreiben des Rates an die Mitgliedstaaten vom Januar 2021. Zwar könne EU-Ratspräsident Charles Michel mit US-Präsident Joe Biden Videotelefonate auf dem Sicherheitslevel „Secret“ führen. Mit den eigenen Staats- und Regierungschefs in Europa sei dies jedoch nicht möglich.
Der Rat gab daraufhin grünes Licht für ein Budget von 2,4 Millionen Euro, um ein sicheres Videokonferenzsystem einzurichten. Weitere 400.000 Euro im Jahr sollte der laufende Betrieb kosten.
Inbetriebnahme war vor einem Jahr geplant
Die Planung sah eine Einrichtungsphase von 18 Monaten vor; der Start sollte im Sommer 2022 sein, ist bislang aber nicht erfolgt. Ob es überhaupt noch dazu kommt, ist aktuell unklar. Auch eine von uns befragte EU-Beamtin, die sich nicht namentlich zitieren lassen wollte, kann keine Angaben dazu machen, wann das System einsatzfähig sein wird: „Der Zeitplan für das Projekt hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die derzeit in den Vorbereitungsgremien des Rates erörtert werden.“
Offiziell will sich der Rat nicht zu dem System äußern. Unsere Fragen lässt die Presseabteilung unbeantwortet. Wir wollten unter anderem wissen, wie viel das Projekt bislang tatsächlich gekostet hat, welche Firmen beauftragt wurden und woran es bei der Umsetzung hakt.
Aufschluss darüber geben könnte die vollständige Version des eingangs erwähnten Dokuments. Darin heißt es unter dem Punkt „Planungsupdate und Budget“, das Sekretariat des Rates bemühe sich um „das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Mitgliedstaaten der EU“ – also die ordnungsgemäße Verwendung von Steuergeld. Warum das Projekt bislang nicht klappt und ob es dabei eventuell zu Planungsfehlern kam, geht aus der geschwärzten Fassung nicht hervor. Die ungeschwärzte Fassung hält der Rat unter Verschluss – und beruft sich dabei auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit.

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Author: Alexander Fanta

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