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TV-Duell von Voigt und Höcke: Video auf Tiktok verkürzt Äußerungen zu Steuersenkungen

Dieser Artikel stammt von CORRECTIV.Faktencheck / Zur Quelle wechseln

Am 11. April, fünf Monate vor der thüringischen Landtagswahl, diskutierten die Spitzenkandidaten Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) im über Fragen zu Europa, Migration und Erinnerungskultur. Das Duell hatte für viel Diskussion gesorgt. Der Landesverfassungsschutz in Thüringen stuft den dortigen AfD-Landesverband als gesichert rechtsextrem ein. 

Einen Tag später verbreitete sich ein Videoausschnitt des TV-Duells auf Tiktok. Darin antworten die Spitzenkandidaten auf die Frage, wie sie eine Haushaltslücke, die durch geplante Steuersenkungen entstehe, schließen würden. Tiktok-Beiträge mit dem Ausschnitt erreichten zehntausende Aufrufe. 

Höcke antwortet, er würde den Posten Entwicklungshilfe mit etwa 60 Milliarden Euro und die 50 Milliarden Euro bei der Migrationspolitik kürzen. Voigt soll gesagt haben, er würde Überstunden steuerfrei stellen. Zugespitzt steht dazu im Video der Text: „AfD: Auslandszahlungen kürzen, CDU: Menschen müssen mehr arbeiten.“ Doch das stimmt so nicht, der Videoausschnitt ist irreführend verkürzt.

Auf Tiktok kursiert ein verkürzter Zusammenschnitt des TV-Duells zwischen AfD-Politiker Björn Höcke und CDU-Politiker Mario Voigt (Quelle: Tiktok; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Tiktok-Video verkürzt Mario Voigts Aussage zur Gegenfinanzierung von Steuersenkungen 

Das TV-Duell veröffentlichte die Welt auf Youtube. Ein Abgleich der Originalaufnahme mit dem Tiktok-Video zeigt: Die Antwort von Höcke ist vollständig in dem Videoausschnitt auf Tiktok zu hören, die Antwort von Voigt nicht. 

In dem Ausschnitt auf Tiktok sagt Voigt: „[…] Die zwei Dinge, die ich momentan erlebe, wenn ich im Land unterwegs bin, in Thüringen, es regt die Leute wahnsinnig auf, dass wir die Ungerechtigkeit haben am Arbeitsmarkt. Wir wollen die Überstunden steuerfrei stellen, weil wir wollen, dass die Menschen wieder mehr im Portemonnaie haben […].“

In dem Video ist hörbar ein Schnitt vor Voigts Aussage zu den Überstunden. Tatsächlich sprach Voigt in der Originalaufnahme (ab Minute 15:06) zuvor über Ungerechtigkeit am Arbeitsmarkt. Ab Minute 15:32 sagt er: „Stichwort Bürgergeld. Und genau aus diesem Grund würden wir auch hier klipp und klar sagen, es muss eine Konzentration geben und den Maßstab, jeder der arbeiten kann, der muss auch tatsächlich arbeiten. Und derjenige der arbeitet, der muss mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Und das bedeutet unter anderem auch, das Bürgergeld für diejenigen einzuschränken, die auch aus anderen Staaten kommen, weil das ist eine Ungerechtigkeit, die die Leute nicht verstehen.“ Erst im Anschluss kommt Voigt im „zweiten Punkt“ auf die Überstunden zu sprechen.

Die Originalaufnahme des TV-Duells zeigt, dass CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt auch eine Kürzung des Bürgergelds in Betracht ziehen würde, um Steuersenkungen zu finanzieren (Quelle: Youtube / Welt; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Videoausschnitt auf Tiktok gibt die Antwort des CDU-Politikers im TV-Duell also unvollständig wieder. Auf eine Anfrage reagierte der Tiktok-Nutzer nicht.

Stimmen Höckes Angaben zur Entwicklungshilfe und Migrationspolitik? 

Die Antwort von Björn Höcke wird im Tiktok-Video vollständig wiedergegeben. Doch stimmen seine Angaben? Der AfD-Politiker gibt an, ein mögliches Haushaltsloch durch Kürzungen in der Entwicklungshilfe und der Migrationspolitik schließen zu wollen. So seien Einsparungen von 70 bis 80 Milliarden Euro im Jahr möglich. Genauer sagt er: „Denken Sie bitte an den großen Posten Entwicklungshilfe. Über die gesamten Einzelpläne des Bundeshaushalts haben wir eine Summe von etwa 60 Milliarden Euro“, die er nicht „ganz zusammenstreichen wolle“, und 50 Milliarden Euro bei der Migrationspolitik, jeweils pro Jahr. 

Die 50 Milliarden Euro sind laut Höcke Zahlen, die die Welt vor kurzem veröffentlichte. Das passt zu den Angaben eines Darin heißt es: Die erwarteten Ausgaben in Zusammenhang mit Flucht und Migration beliefen sich in 2023 auf 48,2 Milliarden Euro. 28,6 Milliarden Euro davon trage der Bund, was das Bundesfinanzministerium uns gegenüber bestätigte. 19,6 Milliarden Euro entfielen laut Welt auf Länder und Kommunen. Das deckt sich mit den Ausgaben, die das Hessische Finanzministerium (PDF, Seite 8) am 1. November 2023 bekannt gab.

Die 60 Milliarden Euro für den Posten Entwicklungshilfe ergeben sich laut Höcke aus den gesamten Einzelplänen des Bundeshaushaltes, doch das stimmt nicht. Zwar weist das Statistische Bundesamt auf seiner Webseite für das Jahr 2021 Entwicklungsleistungen in Höhe von 58,5 Milliarden Euro aus, doch darunter fallen verschiedene Leistungen (Datensatz als Exceldatei, Download): öffentliche Leistungen (Official Development Assistance, kurz ODA), sonstige öffentliche (Other Official Flows, OOF) und private Leistungen.

Bundeshaushalt finanzierte in 2021 und 2022 jeweils deutlich weniger als 60 Milliarden Euro Entwicklungshilfe

Unter „private Leistungen“ fallen keine Gelder des Bundeshaushalts, ebenso wenig wie unter „sonstige öffentliche Leistungen“ zumindest in 2022, wie das Statistische Bundesamt uns mitteilte. Für die ODA-Leistungen weist das Statistische Bundesamt unter ODA grant equivalentfür 2021 rund 28,1 Milliarden Euro aus. Das entspricht der Netto-Entwicklungshilfe, also den „tatsächlichen Leistungen von Geberländern“, wie der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags in einer Dokumentation vom 26. Oktober 2023 schreibt. Zu diesem Ergebnis kommt auch der im Anschluss an das TV-Duell.

Doch selbst diese Summe wird laut dem Statistischen Bundesamt nicht komplett aus dem Bundeshaushalt finanziert: Denn darunter fallen auch Gelder, die aus Marktmitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft gezahlt wurden. Die Details dazu veröffentlichte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf seiner Webseite. Unter die 28,1 Milliarden Euro fallen außerdem Gelder von den Bundesländern, aus dem EU-Haushalt, aus dem Bundesvermögen sowie „Sonstige“ Leistungen, die ebenfalls nicht zum Bundeshaushalt gehören, so das Statistische Bundesamt. Die unter „Sonstige“ enthaltenen Leistungen für Flüchtlinge in Deutschland seien vor allem aus den Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes und seien den Kommunen und Ländern zuzuordnen. 

Abzüglich dieser Mittel ergeben sich rund 20,1 Milliarden Euro, die aus dem Bundeshaushalt als Netto-Entwicklungshilfe in 2021 finanziert wurden. Ein Blick in die aktuellsten verfügbaren Daten zeigt: In 2022 wurden von den insgesamt rund 33,9 Milliarden Euro an Netto-Entwicklungshilfe rund 22,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt finanziert, also knapp ein Drittel des von Höcke genannten Betrags. 

Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck reagierte Björn Höcke nicht.

Redigatur: Paulina Thom, Sophie Timmermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Welt-TV-Duell mit Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU), 11. April 2024: Link 
  • Öffentliche Entwicklungsleistungen, Statistisches Bundesamt, 2021: Link (archiviert)
  • Deutsche ODA für 2022, BMZ, 11. April 2024: Link (archiviert)
  • Mittelherkunft der bi- und multilateralen ODA 2021-2022, BMZ: Link (archiviert)

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Author: Kimberly Nicolaus

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