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TV-Duell: WELT & Voigt lassen die Faschisten jubeln

Es ist exakt das eingetreten, was Kritiker vom TV-Duell zwischen Voigt und Höcke gesagt haben: Die AfD und andere Rechtsextreme feiern. Während die meisten Experten davor warnen, dass hier buchstäblich ein Faschist normalisiert wird, protestieren immer weniger Medien gegen diese weitere Normalisierung des Faschismus, damit WELT (Rekord-)Klickzahlen verzeichnen kann und Voigt sich gegen seine beiden viel prominenteren Konkurrenten Höcke und Ramelow inszenieren kann.

Ein TV-Duell, das man sich nicht schönreden kann

Warum ein TV-Duell mit dem Faschisten Höcke nur nach hinten losgehen kann, hat Volksverpetzer bereits letzten Monat dargestellt. Man kann Faschisten nicht „entzaubern“. Und das ist Thüringens CDU-Spitzenkandidat Voigt auch nicht gelungen.

Voigt: Ein TV-Duell mit Höcke kann nur nach hinten losgehen

Versteh mich nicht falsch. Voigt oder WELT haben nicht im Alleingang den Faschismus normalisiert, natürlich nicht. Aber es ist ein weiterer Tabubruch, der wieder den nächsten noch harmloser macht. Der Medienkonsens ist sich bereits nicht mehr sicher. Aber um mal klarzumachen, wie weit sich der Diskurs verzerrt hat: Stellt euch mal vor, man würde einen vom Verfassungsschutz überwachten Islamisten in ein TV-Duell einladen. Um ihn zu „entzaubern“. Absurd, oder? Warum ist das bei einem Faschisten, der Millionen Menschen deportieren will, notfalls mit „wohltemperierter Grausamkeit“, bei der wir „leider ein paar Volksteile verlieren werden“ anders?

Voigt hat sich nicht schlecht geschlagen. Aber das spielt keine Rolle

Der Stern erklärte immerhin „Eine Katastrophe war es nicht“, andere behaupteten gar, Voigt habe „den Beweis erbracht“, dass man die AfD „inhaltlich stellen“ könne und dass die CDU das TV-Duell feiert, ist fast nicht eine Erwähnung wert. Und gleich mehrere Faktenchecks zeigten – im Nachhinein! – wie fernab der Realität Höcke wie immer argumentiert. Dass Fakten erst hinterher eine Rolle spielen ist doch genau das, was an diesem Format kritisiert wird.

Viele Journalisten und Politiker werten das daher als Niederlage Höckes. Die Moderatoren und Voigt waren auch durchaus gut vorbereitet. Doch sie haben es seit Jahren im Versagen gegen die AfD immer noch gelernt: Dass die AfD die Unwahrheit sagt, interessiert doch leider niemanden!

Im medial-wissenschaftlichen Zirkeln mag das TV-Duell durchaus spannend gewesen sein, und viel Material zur Diskussion, Debatte und Analyse. Aber all das geht völlig am Thema vorbei. Jetzt ist ein Neonazi und Faschist plötzlich bestenfalls „umstritten“. Es ist doch jedes Mal das gleiche und niemand will dazu lernen. Auch wenn ein AfD-Chef Chrupalla bei Maischberger völlig „zerlegt“ wird, schadet das der AfD nicht.

So genial lässt Maischberger AfD-Chef Chrupalla auflaufen!

Höcke konnte nur gewinnen

Wenn Höcke ein starkes Bild abgegeben hat, dann hat der Faschist davon profitiert. Wenn er „zerlegt“ worden wäre, aber auch. Eine zwar eher kritisch zu betrachtende Umfrage von Civey zeigte, dass 41 % der Zuschauenden noch eher Rechtsextreme wählen würden nach dem TV-Duell, völlig egal, was jetzt davon zutraf. Denn der Faschist gewinnt schon, wenn er dort ist.

Wir haben vor einer Weile bereits über eine Studie geschrieben, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Fazit: Interviews und Auftritte rechtsextremer Akteure im Fernsehen führen dazu, dass ihre Ansichten und Statements eine höhere Zustimmung in der Bevölkerung erzielen. Die „Entzauberung“ rassistischer, rechtsextremer und falscher Statements, welche durch solche Auftritte angestrebt werden soll, findet also überhaupt nicht statt. Im Gegenteil.

Studie: Rechtsextreme ins Fernsehen einladen macht sie stärker

Im Gegenteil, dass Höcke „Schwäche“ zeigte, wie viele in falscher Hoffnung befriedigt feststellten, ist auch Teil von dessen Strategie. Höcke bekannte sich nicht stolz auf seine extremistischen Zitate. Doch das ist keine Scham. Das ist Selbstverharmlosung.

„Doch gerade weil sich Höcke gemäßigt gab, hat er die AfD nicht entzaubert. Ausgerechnet seine vermeintliche Moderatheit lässt Höcke stark aussehen: seine vorgetragene Dialogbereitschaft, die Betonung, wie wichtig Demokratie und Meinungsfreiheit seien“, schreibt Anastasia Tikhomirova bei ZEIT richtig.

Und selbst wenn die (potenziellen) Wähler der AfD das mitbekommen, wenn ihr Faschist „zerlegt“ wurde – was sie eben oft nicht tun – sehen sie das hingegen eher ebenfalls als Bestätigung. Wie „unfair“ „ihr“ Kandidat doch behandelt werde! „Jetzt erst Recht!“

AfD feiert das TV-Duell

Dass die AfD natürlich das TV-Duell als Erfolg ebenso wie die CDU feiert, ist ebenfalls fast nicht erwähnenswert. Wäre da nicht die Tatsache, dass es ein weiterer Beleg dafür ist, dass ein „Zerlegen“ ja offensichtlich nicht funktioniert, wenn die andere Hälfte es nicht so wahrnimmt oder genau das zum Anlass nimmt, die AfD zu wählen. Die Recherchegruppe DieInsider hat einige weniger prominente Stimmen und Kommentare gesammelt, die zeigen, wie die Stimmung in der AfD ist:

„Punktsieg“ für Höcke“ und Lob für den Faschisten. Man träumt schon von der Machtergreifung. Sind das die Reaktionen, die WELT und Voigt bei Faschisten und ihren Anhängern hervorrufen wollten? Und wer meint, dass die doch ohnehin glauben, was sie wollen, und man sie inhaltlich nicht erreichen kann, und deswegen ignorieren kann: Hey, das ist mein Argument. Deshalb sage ich doch, dass man Höcke nicht debattieren kann!

Experten kritisieren

Der Historiker Jens-Christian Wagner erklärte: „Das war ein TV-Duell, auf das man hätte verzichten müssen. Es hat sich bewahrheitet, dass man mit Rechtsextremen nicht reden kann.“ Der Theologe Frank Hiddeman resümiert, dass Höcke gewonnen hat, zwar „Nicht inhaltlich und argumentativ, aber vermutlich an Zuspruch. Voigt hat den Fehler gemacht, zurück zu pöbeln. Das hat seinen sachlichen Argumenten geschadet.“

Jens-Christian Wagner, Direktor der Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora: „Schon vor dem Duell kann sich Höcke als Sieger fühlen. Dass mit diesem TV-Duell einem Rechtsextremen ein Podium geboten wird, ist ein Erfolg für die AfD“, sagte Wagner dem MDR.

Wie ich seinerzeit auch bei Chrupalla und Maischberger argumentierte, führte Hiddemann aus:

Den eigentlichen Skandal des Abends machte Hiddemann aber beim Moderationsteam aus: ‚Die sind zum Teil auf Höcke losgegangen. Das war unprofessionell und ein kapitaler Fehler‘, urteilte Hiddemann. ‚Da wird sich die AfD jetzt wieder als Opfer stilisieren und sagen können, es gäbe keine unabhängige Presse mehr.’“

Reporter-Angriff zeigt, wie die man am eigenen fundament sägt

Entweder man „zerlegt“ einen Faschisten nicht, wovon er profitiert. Oder man „zerlegt“ ihn, was die AfD auch darin bestätigt, das Opfer zu sein und von den Medien unfair behandelt zu werden. Die Medien, die unmittelbar von den Faschisten bedroht werden, lernen einfach nicht daraus. WELT kam das traurigerweise direkt am gleichen Tag auch zu spüren: Bei der Live-Schalte zum Thema wurde Reporter Schwarzkopf körperlich angegriffen.

Höcke wurde nicht entzaubert, der Faschismus weiter normalisiert. Die AfD jubelt. Die Gefahr für den Journalismus, der das unverschuldet möglich gemacht hat, wächst, wenn aus dem verbalen Schlagabtausch direkt ein körperlich auf der Straße wird. Dass die CDU sich freut, dass der amtierende Ministerpräsident Ramelow durch das gezielte Totschweigen an den Rand gedrängt wurde, ist wenig verwunderlich. Wenn man weiß, dass Nicht-Einladen und Ignorieren den politischen Gegner schwächt, warum hat Voigt dann nicht versucht, Ramelow zu „stellen“, der mit Abstand beliebter ist als Höcke und Voigt zusammen?

Artikelbild: Screenshots welt.de

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