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Wohnungseinbruchdiebstahl: Justizministerium will Überwachungsbefugnisse verlängern

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

WohnungseinbruchdiebstahlJustizministerium will Überwachungsbefugnisse verlängern

Die Union will, dass Strafverfolgungsbehörden bei Einbrüchen in Wohnungen weiter Kommunikation auch mit Staatstrojanern überwachen können, sogar wenn es um Einzeltäter geht. Ihr Gesetzentwurf dazu wird heute wohl abgelehnt, doch das Justizministerium plant bereits eine eigene Verlängerung.


Anna Biselli – in Überwachungkeine Ergänzungen
Wohnungseinbrüche sind mittlerweile seltener geworden. Aber ihre Aufklärung scheitert häufig immer noch. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Salah Ait Mohktar

Seit einer Gesetzesänderung 2019 durften Ermittlungsbehörden bei Wohnungseinbruchdiebstahl Telekommunikation überwachen. Es geht dabei sowohl darum, Telefone abzuhören, als auch mit Staatstrojanern verschlüsselte Messengerkommunikation abzufangen. Vorher war das nur beim Verdacht auf eine Einbrecherbande möglich, seit der Gesetzesänderung auch bei mutmaßlichen Einzeltäter:innen.

Doch die Befugniserweiterung war befristet angelegt, sie läuft Ende 2024 aus. Daher legte die Unionsfraktion im Bundestag einen Entwurf vor, um die Regelung unbefristet weiterzuführen. Heute Nachmittag wird darüber der Bundestag abstimmen. Der soll den Vorschlag nach einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ablehnen, doch vom Tisch ist eine Verlängerung dadurch nicht.

Das zeigt eine Anfrage von netzpolitik.org beim zuständigen Bundesjustizministerium. Eine Sprecherin des BMJ teilt schriftlich mit:

Das Bundesjustizministerium beabsichtigt, die Ende 2019 vorübergehend eingeführte Erlaubnis zum Abhören bei der Aufklärung von Wohnungseinbrüchen um weitere fünf Jahre zu verlängern.

Das bedeutet: Auch wenn der heutige Entwurf abgelehnt wird, wie es bei Oppositionsanträgen üblich ist, dürfte das Thema im Lauf des Jahres wieder auf die Tagesordnung kommen.

Unübliche Befristung

Die befristete Erweiterung zur Überwachung aus dem Jahr 2019 verlief weitgehend ohne Aufregung, denn die damalige Große Koalition aus Union und SPD schrieb sie in das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens. Darin ging es um viele verschiedene Dinge: fachliche Anforderungen an Gerichtsdolmetscher etwa oder Verfahrensvereinfachungen bei missbräuchlichen Befangenheitsanträgen.

Dass es um einen erheblichen Grundrechtseingriff ging, war den damaligen Regierungsfraktionen jedoch bewusst – daher die Befristung. So schrieben sie in der Begründung zum Gesetz:

Die Ausweitung des Katalogs auf eine Tat, die von einem Einzeltäter begangen werden kann und die nicht notwendig in einem Zusammenhang mit Telekommunikation steht, ist unter dem Gesichtspunkt der notwendigen Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht aus Artikel 10 GG [Fernmeldegeheimnis] sensibel.

Nach drei Jahres sollte geprüft werden, ob die Erweiterung notwendig und wirksam ist. Diese Evaluierung führte das BMJ durch und schickte sie im Februar 2024 an den Bundestag. Auch die Sprecherin des Ministeriums verwies auf unsere Anfrage hin auf das Dokument. Doch die Auswertung ist nur begrenzt aussagekräftig.

Auswertung begrenzt aussagekräftig

Das merkt das Ministerium selbst an. So schließt es etwa die Jahre 2020 und 2021 aus der Auswertung aus. Durch die Pandemie seien Menschen häufiger zu Hause gewesen, es gab generell weniger Einbruchsfälle. Im ausgewerteten Jahr 2022 wurde die Befugnis nur selten genutzt, sie sei „nur in 0,08 bis zu 3,07 Prozent der wegen des Verdachts eines Wohnungseinbruchsdiebstahls geführten Ermittlungsverfahren“ angeordnet worden.

Das zeige laut BMJ, dass „die grundrechtsintensive Maßnahme“ nicht massenweise eingesetzt werde: „Die geringen Fallzahlen ebenso wie die Ausführungen der beteiligten Verwaltungen zeigen, dass dieses Ermittlungsinstrument mit Augenmaß und nur in geeigneten Fällen von erheblichem Gewicht eingesetzt wird“, so das Fazit.

Laut Rückmeldung der Strafverfolgungsbehörden an das BMJ seien bei den durchgeführten Überwachungen „häufig verfahrensrelevante Ergebnisse“ herausgekommen. Als Beispiele sind genannt, dass Täter:innen etwa am Telefon über ihre Rollenverteilung beim Einbruch geredet hätten oder es möglich war, die Aufenthaltsorte der Verdächtigen zu ermitteln. Auch der Verkauf der Beute sei teils über Telefongespräche geregelt worden.

Bei einer Anhörung im Bundestag zum Entfristungsentwurf der Union kritisierten Sachverständige wie der Bundesdatenschutzbeauftragte, dass die Wirksamkeit derzeit noch nicht abgeschätzt werden könne und es eine weitere Evaluierung brauche, andere bezeichneten die Befugniserweiterung als Symbolpolitik.

Auch wenn die Fallzahlen beim Wohnungseinbruchdiebstahl im Vergleich zu den Pandemiejahren 2020 und 2021 wieder gestiegen sind, haben sie das Vor-Pandemie-Niveau nicht wieder erreicht. Im Jahr 2023 wurden demnach knapp 78.000 Wohnungseinbruchdiebstähle erfasst, das sind fast 10.000 weniger als 2019. Die Aufklärungsquote ist mit rund 15 Prozent jedoch weiterhin gering.

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Author: Anna Biselli

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