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„Was erwartest du?“, fragte mich vor einigen Jahren ein Freund, als ich mich bei ihm mal wieder über den Hass der Nazis beklagte: „Es sind eben Nazis, die tun, was Nazis eben tun“. Wow, dachte ich, das war jetzt aber nicht sehr solidarisch. Doch ich war auch verblüfft. Eigentlich hatte er recht. Sich mit Nazis auseinanderzusetzen ist keine Folklore. Entweder man nimmt diese Aufgabe und damit die Nazis wirklich ernst oder es bleibt ein Spiel, bei dem es letztlich um andere Dinge geht. Das war einer dieser Momente. Ich hatte was gelernt: Ich hörte auf, mich über Rechtsextreme zu beklagen. Natürlich nicht im politischen Sinne, sondern als eine Art persönlicher Stimmung oder Selbsterfahrung.
Wer sich entscheidet zu diesem Thema professionell zu arbeiten, braucht mehr Resilienz und mehr Selbstreflexion, als bei anderen Themen des gesellschaftlichen Lebens. Denn was Menschen tun, wenn sie in zivilgesellschaftlichen Projekten oder Initiativen wie der Amadeu Antonio Stiftung arbeiten, sollte andere ermutigen und befähigen. Und sie nicht auch noch runterziehen. Andererseits jedoch braucht es dafür auch eine große Leidenschaft, ein oft sehr persönliches Engagement. Und wie alle Dinge, die dialektisch funktionieren ist die Frage dann: Wie bekommt man das zusammen? Professionell aber nicht bürokratisch und seelenlos, leidenschaftlich und persönlich aber nicht selbstbezogen. Das geht, es ist nur mühevoller, als nur auf einer der beiden Seiten zu verharren. Wir sollten deshalb in der Betrachtung unserer Bemühungen im Engagement für demokratische Kultur und ja, auch im Kampf gegen Nazis weder zu technisch noch zu romantisch sein. Ich denke genau das meint Resilienz.
Gerade hat die AfD im Bundestag über die Förderung der Amadeu Antonio Stiftung, also der Zivilgesellschaft diskutieren lassen. Mich hat die Debatte beeindruckt. Vertreter*innen aller demokratischen Fraktionen äußerten sich wertschätzend über die Arbeit der Stiftung und der Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen. Die Aussagen der Vertreter der CDU waren direkt und ehrlich. Selbstverständlich stimmt die CDU nicht mit allem überein, was die Stiftung äußert oder tut, dennoch ist sie durchaus eine Partnerin in gesellschaftspolitischen Fragen. Umgekehrt verhält es sich ähnlich. Die Stiftung engagiert sich gegen Rassismus und selbstverständlich kritisiert sie Äußerungen wie die über das „Stadtbild“ von Friedrich Merz. Auch an anderen Stellen gehen hier manche Auffassungen weit auseinander, dennoch ist die CDU als konservative Partei wichtig im demokratischen Diskurs.
Gerade in Bezug auf den Kampf gegen Antisemitismus war ich der CDU immer dankbar für die Unterstützung jüdischen Lebens in Deutschland. Ganz besonders dann, wenn es aus sich selbst heraus geschah und nicht als Instrument, um andere zu diskreditieren. In der Debatte um die Amadeu Antonio Stiftung jedenfalls hat mir die Klarheit, Aufrichtigkeit über Differenzen und das deutliche Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit und den Zielen des Grundgesetzes gefallen. Ich hebe das hervor, nicht weil alle anderen, weiter linksstehenden Fraktionen weniger präzise, klar und leidenschaftlich gewesen wären, sondern weil hier deutlich wird, wie wichtig und wertvoll demokratische Grundhaltungen – auch konservative – sind. Und wie wichtig und gut die Kooperation der Demokrat*innen ist. Resilienz bedeutet daher auch, sich diesen Anforderungen zu öffnen, sie anzunehmen und eben nicht nur mit Leuten zusammenzuarbeiten, die in allen Punkten der gleichen Meinung sind.
Die politische Lage ist schwierig, die kommenden Wahlergebnisse werden schwer zu ertragen sein. Die Bedingungen, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren, werden inhaltlich eine große Herausforderung. Aber auch die Bedingungen werden sich verschlechtern. Die Programme sind nicht auf einer stabilen, gesetzlichen Grundlage gebaut worden, also werden sie weniger. Wir hatten das Privileg diese Bundesprogramme so lange nutzen zu können. Darauf kann Deutschland stolz sein. Und die Programme zu kürzen, wenn der Rechtsextremismus zunimmt, ist nicht besonders schlau. Andererseits kann ein Blick auf uns selbst auch helfen. Was können wir selbst besser machen? Wie können wir durchhalten, trotzdem? Welche neuen Wege und Ideen zeigen sich, wenn es eng wird? Resilienz bedeutet immer auf die eigenen Möglichkeiten zu schauen und nicht ausschließlich andere verantwortlich zu machen. Sich den Fragen zu stellen, auch wenn sie weh tun oder auch traurig machen, hat mir immer weitergeholfen.
Ja, wir haben den Rechtsextremismus nicht aufhalten können. Trotzdem sind wir nicht gescheitert. Wir haben manches falsch und vieles richtig gemacht. Doch gegen die Mischung aus Corona-Nachwirkungen, die Folgen des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine, die Macht aus Lügen aus den USA und Propagandakrieg gegen die liberale Demokratie kann unmöglich durch die Zivilgesellschaft, die Initiativen vor Ort oder die Stiftung aufgehalten werden. Selbst die Politik mit ihren Parteien hat damit zu kämpfen. Ja, es ist ernst. Und uns bleibt nicht anderes als weiterzumachen. Vielleicht besser, wenn wir auch für die Zukunft resilient sein wollen. Ich denke, wir brauchen eine langfristige Strategie. Eine, die sich wirklich an der demokratischen Kultur aufrichtet und so auch die politische verändert.
Deswegen sollten wir erwarten, dass die Nazis sind wie sie sind. Und dass Opportunisten schon geradestehen, bevor die AfD durch die Tür marschiert. Bei Nazis ist es noch vergleichsweise leicht. Doch dann sind da die anderen. Antisemiten, Frauenhasser und Rassisten. Antisemiten, Frauenhasser und Rassisten aber kommen überall vor, egal welche politische Orientierung sie haben oder welchen Background. Die Welt wird nicht einfacher. Auch der Hass ist vielfältig.
Was im Kampf für eine langfristige Verbesserung der demokratischen Kultur jetzt jeder von uns für sich entscheiden müsste, ist ob wir uns von nun auf Resilienz einlassen können oder nicht. Denn sie macht Arbeit. Jedenfalls geht es mir so. Radikale Ideologien verschwindet nicht von allein, dafür müssen wir weitermachen. Selbstreflektiert, klug, solidarisch und mit aller Leidenschaft. Denn eigentlich geht es gerade erst los.
