Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Der Staat als Dienstleister für Superreiche

Dieser Artikel stammt von CORRECTIV.Faktencheck / Zur Quelle wechseln

Gesellschaft

Der Staat als Dienstleister für Superreiche

Eine verdeckte Recherche von CORRECTIV.Schweiz und der WOZ zeigt, wie ausländische Super-Reiche von Schweizer Banken, Kanzleien und Steuerämtern umworben werden. Dabei verraten selbst Behörden die besten Tricks, um wenig Steuern zu zahlen.

von Sven Niederhäuser
, Enrico Kampmann
, Jan Jirát

Als vermeintlicher Milliardärs-Erbe aus Deutschland (rechts) mit Vermögensberater besuchten wir sieben Banken, Kanzleien und Steuerämter. Bild: Florian Bachmann

Der Steuerexperte einer Zürcher Privatbank schwärmt von der „alten guten Zeit“, als er als junger Banker in die Branche einstieg und es noch „sehr viele undeklarierte Vermögenswerte“ gab. Im Sitzungszimmer auf dem dunklen Massivholz-Tisch vor ihm liegt das Buch „Steuerparadiese“ des Tessiner Anwalts Lucio Velo. Auf dem Titelbild eine Insel mit Sandstrand und Palmen, zwei Yachten und eine junge, lächelnde Frau mit rosa Blumenkranz.

Mitgebracht haben es die Gäste, die das Treffen eingefädelt haben: der vermeintliche Milliardärs-Erbe Elia Weiss. Der in Wirklichkeit anders heisst und vorgibt, aus Deutschland in die Schweiz zu ziehen, um von tiefen Steuern zu profitieren. Sein Vermögensberater Stefan Hoffmann, der weder Weiss’ Vermögensberater ist noch so heisst. Und ein Assistent von Weiss, der Journalist ist und bei einzelnen Treffen dabei war.

In einer verdeckten Recherche untersuchten CORRECTIV.Schweiz und WOZ – Die Wochenzeitung, wie Banken, Kanzleien und kantonale Steuerämter ausländischen Superreichen helfen, Steuern zu sparen. Denn mit einem Wohnsitz in der Schweiz und ohne hier zu arbeiten, profitieren sie von einer Sonderbehandlung: der Pauschalbesteuerung. Die Steuern werden anhand einer Aufstellung der von ihnen jährlich weltweit getätigten Ausgaben bemessen, auch für ihre Angehörigen. Ihr Vermögen oder Einkommen spielt dabei keine Rolle.

Steuertricks für Superreiche

Trotz des malerischen Blicks aus dem Sitzungszimmer auf die Dächer des Bankenviertels wirkt der vermeintliche Milliardärserbe Weiss gelangweilt. Seine Nase ist leicht gerümpft, als liege ein unangenehmer Geruch im Raum. „Gibst du mir bitte eine Banane?“, fragt er seinen „Assistenten“. Dieser greift nach einer Designertasche aus Leder und beginnt darin zu kramen. Er fischt eine kleine Holzschatulle heraus. Darin ordentlich auf einer Stoffserviette angerichtet: eine Banane. „Kannst du sie bitte aufmachen?“, fragt Weiss. Der „Assistent“ nickt und schält sie mit ernster Miene.

Von der bizarren Szene lässt sich der Steuerexperte der Zürcher Privatbank nicht im Geringsten irritieren. Er schwärmt von „aggressiver Steueroptimierung“ und dem kleinen Obwalden als idealem Wohnkanton für Weiss. Dort seien die Behörden am „kundenfreundlichsten“, sagt der Banker. Sie würden „den besten Steuerdeal machen“.

Der vermeintliche Milliardärs-Erbe umgeben von seinem „Vermögensberater“ und seinem „Assistenten“ mit der Designertasche aus Leder. Bild: Florian Bachmann (WOZ)

Wirklich in Obwalden wohnen müsse Weiss selbstverständlich nicht, sagt der Banker. Er könne sich in Verbier ein Haus kaufen und dort so viel Zeit verbringen, wie er wolle. Nur zu viel Aufmerksamkeit sei zu vermeiden. Es wäre ungünstig, wenn die dortigen Behörden bemerkten, dass er sich zu häufig im Wallis aufhalte und seine Steuern eigentlich dort zahlen müsste.

Ein weiterer Trick des Steuerexperten: Wenn als Beispiel 10 Millionen Franken Bargeld auf einem Schweizer Bankkonto lägen, müsste das für eine Kontrollrechnung angegeben werden. Aber nur, wenn es am Stichtag, dem 31. Dezember, auf dem Konto ersichtlich sei. „Da behilft man sich vielfach, dass Mitte Dezember bis Mitte Januar eine Treuhandanlage gekauft wird.“ Das bedeutet: Die Bank legt das Geld in ihrem Namen bei einer ausländischen Bank an. So müsse es bei der Überprüfung nicht angegeben werden.

Die Dienstleistungsbehörde, die keine sein dürfte

Dass ein Banker einem schwerreichen potenziellen Kunden hilft, so wenig Steuern wie möglich zu zahlen, überrascht kaum. Unsere Recherche zeigt jedoch: Bei diesem Spiel machen Steuerämter mit. Jene Behörden, die dafür sorgen sollten, dass die Bevölkerung ihre Steuern korrekt zahlt und die Einnahmen der Gesellschaft zugutekommen.

Auf dem Altdorfer Rathausplatz steht Wilhelm Tell auf seinem Sockel, den grimmigen Blick auf das Steueramt des Kantons Uri gegenüber gerichtet. „Hier ist es wild, Leute“, schreibt Weiss in den Gruppenchat auf Signal. Etwa 45 Minuten zuvor betrat er zusammen mit Hoffmann das Steueramt. Die Journalisten von CORRECTIV.Schweiz und der WOZ warten eine Strasse weiter in einem Café.

Warum verdeckt recherchieren?
Laut Presserat sind verdeckte Recherchen zulässig, „wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an den recherchierten Informationen besteht und diese auf anderem Weg nicht zu beschaffen sind“. Im Hinblick auf die Erbschaftssteuer-Initiative, über die am 30. November abgestimmt wird, wollten CORRECTIV.Schweiz und WOZ wissen, von welchen Vorteilen Pauschalbesteuerte und Superreiche in der Schweiz profitieren. Offizielle Anfragen bei Steuerämtern, Vermögensberaterinnen oder Anwaltskanzleien brachten keinen Erfolg. Deshalb entschieden wir uns, verdeckt vorzugehen und die Treffen aufzuzeichnen. Wegen des Persönlichkeitsschutzes werden die Namen der Beteiligten nicht genannt.

Der Steuerbeamte empfängt die beiden mit breitem Lächeln und einem Lobgesang auf den Urner Ski- und Luxusort Andermatt. Und den Aufschwung dank des ägyptischen Investors Samih Sawiris. Danach wird es konkret. Beim angegebenen Vermögen von 500 Millionen Franken sei die Pauschalbesteuerung „die sinnvollste Lösung“, sagt der Beamte. Sie biete „Sicherheit und Spielraum für beide Seiten“. Dafür müsse Weiss einen Fragebogen zu seinen Ausgaben ausfüllen: Etwa Unterhalt, Reisen und Hobbys.

„Da kann man aber eintragen, was man will?“, fragt Hoffmann. Gewisse Beträge müssten schon realistisch sein, sagt der Beamte. „Und Sachen, die wir ganz einfach nachweisen können, müssen gut dokumentiert sein, da müssen wir fein raus sein.“ Andere Dinge hingegen seien fast unmöglich zu kontrollieren. „Wenn Sie sagen, Ihre Hobbys kosten 10’000 Franken im Monat – können wir das nicht richtig überprüfen.“

Weiss’ Vermögensberater will es genauer wissen. „Wenn man also 120’000 bis 200’000 Franken Steuern pro Jahr anpeilt, könnten Sie uns sagen, welche Ausgaben wir da angeben müssten?“, fragt Hoffmann den Beamten. „Bei solchen Rechenbeispielen kann ich Ihnen sicher helfen.“ Dies mache die Behörde auch bei anderen Pauschalbesteuerten, sagt der Beamte.

„Ehrlich gesagt, steuern wir zum Teil die Steuerpflichtigen, indem wir sagen, du musst bei diesem Betrag ein bisschen mehr reinschreiben. Nimm dafür unten irgendwo ein bisschen weg, weil das realistisch ist.“ Sie passten die Beiträge so an, wie sie das auch aus anderen Steuerakten kennen würden. „Wir sind hier, ich sage mal, eine Dienstleistungsbehörde, auch wenn wir das eigentlich nicht sein dürften.“

Kennen Sie auch Fälle, in denen vermögenden Personen geholfen wurde, Steuern zu sparen? Dann erzählen Sie uns hier davon. So helfen Sie, weitere Missstände aufzudecken. Ihre Daten sind durch den Quellenschutz geschützt, bleiben völlig anonym und werden keinesfalls an Dritte weitergegeben.

Schweizer Bankkonten bleiben verborgen

Es folgt ein kurzer Exkurs über die Vorzüge des inländischen Bankgeheimnisses. Während die Behörden über Auslandskonten ihrer Bevölkerung informiert würden, blieben Vermögen im Inland weitgehend verborgen, sagt der Beamte. Habe man beispielsweise bei der UBS oder Julius Bär etwas deponiert, flössen diesbezüglich keine Informationen zum Amt. „Konten im Ausland erfahren wir. Konten in der Schweiz nicht. Das ist der grosse Witz an der Sache.“

Das Blöde sei, das Geld liege ziemlich gleichmässig auf drei Banken verteilt, entgegnet Hoffmann. „Wenn wir umschichten und eine Bank vergessen anzugeben, fällt der Betrag auf einem der Konten von 120 Millionen auf 10 Millionen Franken runter – sehen Sie das dann?“

„Wir sehen nur den Stichtag“, sagt der Beamte. Es gelte, was am 31. Dezember deklariert sei. Alles, was davor oder danach passiere, bleibe unsichtbar. „Wenn wir vergessen, eine Bank anzugeben, schützt ihn das Bankgeheimnis?“, fragt Hoffmann nach. „Ja“, antwortet der Beamte. Doch es sei zu bedenken: Wenn ein vergessenes Konto später deklariert werde, gelte das als Steuerhinterziehung.

Das Buch „Steuerparadiese“ des Tessiner Anwalts Lucio Velo landete bei jedem Treffen von Beginn an auf dem Tisch. Foto: Florian Bachmann

Mit den Aussagen seines Mitarbeiters konfrontiert, sagt der Urner Steueramts-Vorsteher Pius Imholz gegenüber CORRECTIV.Schweiz und WOZ, „das Steueramt versteht sich im Sinne des modernen Verwaltungsverständnisses durchaus als Dienstleister – jedoch im Rahmen des Gesetzes“. Beim Treffen habe es sich um ein informelles Erstgespräch gehandelt. Die Pauschalbesteuerung erfolge nach klaren gesetzlichen Grundlagen. Die jährlichen Ausgaben würden nach objektiven Kriterien geprüft. „Wer absichtlich unvollständige oder unwahre Angaben macht, wird dafür bestraft.“

Mitarbeitende dürften den Mechanismus der Pauschalbesteuerung zwar anhand von Rechenbeispielen erläutern, seien aber „ausdrücklich nicht befugt, auf eine tiefere Steuerbemessung hinzuwirken“. Das Steueramt lege grossen Wert auf korrekte und gesetzeskonforme Veranlagungen. „Unzulässige Praktiken werden nicht toleriert oder gar empfohlen.“

Dienstleistung für Superreiche „völlig absurd“

Dass auch Steuerbehörden beim Spiel mitmachen, ist für Dominik Gross problematisch, aber nicht überraschend. Er ist Steuer- und Finanzpolitik-Experte beim Kompetenzzentrum für internationale Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik, Alliance Sud. „Besonders in kleineren Kantonen gibt es oft keine Abgrenzung zwischen Steuerbeamtinnen und Standortförderern“, sagt er. Das sei wie ein Medienhaus, in dem sich Journalistinnen nicht von Inseratenverkäufern abgrenzen. „Wenn solche zwingenden Abgrenzungen fehlen, fördert das auch die Vetternwirtschaft.“

Die Bezeichnung Dienstleistungsbehörde als Steueramt sei „völlig absurd“, sagt Gross. „Das Steueramt sollte im Sinne des Gemeinwohls in erster Linie ein Interesse daran haben, alle Steuerzahlenden fair zu besteuern.“ Für den Experten ist es ein Rätsel, was die Behörden davon hätten, wenn Reiche im Kanton wohnen und beinahe keine Steuern zahlen würden.

Doch davon gibt es einige. Eine kürzlich erschienene Auswertung von CORRECTIV.Schweiz und der WOZ zeigt: Rund 3’900 vermögende Pauschalbesteuerte leben in der Schweiz. Im Durchschnitt zahlt jede und jeder von ihnen zwischen 30’000 und 280’000 Franken Steuern im Jahr.

Die Pauschalbesteuerung ist ein wichtiger Grund, warum die Schweiz für Superreiche aus aller Welt so attraktiv ist, heisst es in einer ETH-Studie vom vergangenen Jahr. Für diese Sonderbehandlung wird die Schweiz kritisiert. So etwa in einer Studie der gemeinnützigen Organisation Oxfam zur Steuerflucht in Deutschland 2024.

Als Beispiel nennt sie ein Faktenblatt zur Pauschalbesteuerung aus dem Kanton Uri. Darin steht unter dem Zwischentitel Vorteile: „Die Pauschalbesteuerung wirkt sich positiv für wohlhabende und finanzstarke Personen aus dem Ausland aus“, weil etwa das Ausfüllen von Steuererklärungen wegfalle. Zudem könne die Pauschale einen zusätzlichen Steuervorteil ergeben.

„So preisen einschlägige Broschüren die Schweiz an – nicht zuletzt für potenzielle Steuerflüchtlinge aus Deutschland“, beschreibt das die Oxfam-Studie. Dass die Schweiz attraktiv für deutsche Superreiche ist, zeigt die Liste der 300 Reichsten im Land des Wirtschaftsmagazins Bilanz. Alleine 2023 hatte jede fünfte Person einen deutschen Pass.

Kein Bock mehr auf Deutschland?

Aus einer vermögenden deutschen Unternehmerfami

Zur Quelle wechseln
Author: Sven Niederhäuser

Views: 0
Danke für euer vertrauen und eure unterstützung ! eure spd fraktion chorweiler. niceria box oktober 2025 : goldener herbst.