Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Doppelausbau: Wie sich das Digitalministerium selbst eine Grube gräbt

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

DoppelausbauWie sich das Digitalministerium selbst eine Grube gräbt

Im Digitalministerium braut sich ein handfester Skandal zusammen. Ein Bericht der Bundesnetzagentur zum Doppelausbau soll bewusst verschleppt worden sein, um der Telekom Deutschland mehr Spielraum zu verschaffen. Die peinliche Affäre offenbart einmal mehr, wie verworren die deutsche Infrastrukturpolitik ist. Ein Kommentar.


Tomas Rudl – in Netze2 Ergänzungen
Das Digitalministerium von Volker Wissing (FDP) scheint zu Gunsten der Telekom Deutschland einen brisanten Bericht der Bundesnetzagentur verschleppt zu haben. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Zu beneiden ist die Bundesregierung nicht gerade. Jahrzehntelang hat Deutschland die Digitalisierung verschlafen, es krankt an allen Ecken und Enden. Auch der selbsternannten Fortschrittsregierung fällt der Fortschritt sichtlich schwer. Historisch gewachsene Verknotungen und Interessenslagen haben über die Zeit zu einer inkohärenten und oft genug widersprüchlichen Digital- und Netzpolitik geführt, das lässt sich nur mühsam abschütteln. Mal blockieren die Länder, mal der Koalitionspartner, mal einflussreiche Wirtschaftslobbys. Und am Ende will keiner Schuld gewesen sein.

Aktuell lässt sich dies an den haarsträubenden Vorgängen im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) ablesen, so sie denn stimmen. Auf Staatssekretär:innenebene, wie Tagesspiegel Background (€) berichtet, soll ein Bericht der Bundesnetzagentur unterdrückt respektive verzögert worden sein. Der sollte endlich ein jahrelang umherschwirrendes Phänomen untersuchen, wonach die Telekom Deutschland mit dem strategischen Überbau bestehender Netze ihre Wettbewerber ausbremst. So der Vorwurf.

Medienberichten zufolge kam der eigentlich für Ende vergangenen Jahres erwartete Bericht der Bundesnetzagentur im Januar schließlich im Ministerium an – und tatsächlich soll er „Auffälligkeiten“ festgestellt und Konsequenzen für das Gebaren der Telekom gefordert haben, etwa verschärfte Berichtspflichten für den Platzhirschen. Ob dies so stimmt, ist freilich nicht öffentlich bekannt. Bis heute, Ende März, liegt der Bericht nicht der Öffentlichkeit vor.

Liegen soll das daran, dass die für die Telekom unangenehmen Ergebnisse an den Marktführer durchgestochen wurden, von (fast) höchster Ebene. Daraufhin soll die Telekom selbst eine „relevante Anzahl“ an Überbaufällen, insgesamt 200, an die eigens eingerichtete Monitoringstelle nachgemeldet haben, bei denen ihre Netze überbaut worden sein sollen – wohl, damit die bislang bekannten rund 300 Meldungen nicht ganz so einseitig ausfallen (einen Zwischenstand haben wir im Spätherbst veröffentlicht). Also musste der Bericht der Bundesnetzagentur überarbeitet werden, Fortgang ungewiss.

Achillesferse „Infrastrukturwettbewerb“

Alleine das ist skandalös genug. Aber es legt erneut offen, dass die deutsche Infrastrukturpolitik immer und immer wieder die Quadratur des Kreises versucht und sich damit selbst zum Scheitern verurteilt. Denn wer unbeirrt am Paradigma des sogenannten Infrastrukturwettbewerbs festhält, wird genau diesen bekommen. Mit allen Vor- und Nachteilen.

So wird neben das bestehende DSL-Kupferkabel ein weiteres von einem Kabelanbieter gelegt, und irgendwann gesellt sich vielleicht ein Glasfaserkabel hinzu – oder eben auch mehrere. Soll doch der Markt entscheiden, welche Technik sich letztlich als beste, günstigste und zuverlässigste durchsetzt. Ob es volkswirtschaftlich klug ist, vor allem abseits von Ballungsgebieten wiederholt teure Bauarbeiten durchzuführen oder die Finanzierung bereits durchgeplanter Projekte zunichtezumachen, kommt in dieser Logik nicht vor.

Doch so gut sich die Telekom Deutschland, an welcher der Bund weiterhin signifikante Anteile hält, als Reibebaum eignet: Ganz ohne Eigennutz agieren ihre Konkurrenten, die nun personalisierte Brandbriefe an Kanzler Olaf Scholz, Digitalminister Volker Wissing und Finanzminister Christian Lindner verschicken, bei weitem nicht. Genau so wie ihr übermächtiger Wettbewerber haben sie großes Interesse daran, sich möglichst große Kuchenstücke am Zukunftsmarkt Glasfaser zu sichern.

Letzten Endes verlangen sie von der Regierung einen durchaus schwerwiegenden Markteingriff, um ihrerseits regionale Glasfasermonopole zu schaffen – auf nichts anderes laufen ihre Forderungen hinaus. So ist es alles andere als ein Zufall, dass sich die Branche bis heute nicht einmal auf gemeinsame Standards in puncto Open Access verständigen kann, obwohl angeblich alle den anbieterübergreifenden offenen Netzzugang wollen. Der Statusbericht, den das Gigabitforum schon vor einem Jahr vorlegen wollte, kommt genauso wenig vom Fleck wie der aktuelle Bericht zum Doppelausbau.

Und trotzdem kann man den kleineren Betreibern nur schwerlich einen Vorwurf machen. Natürlich stellen sie ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen voran. Und natürlich wäre ein Umschwenken hin zu symmetrischer Regulierung folgerichtig eine Abkehr von der bisherigen asymmetrischen Regulierung, die europaweit die Ex-Monopolisten in Zaum halten soll. Fällt diese Brandmauer, droht ein Internet der großen Konzerne, wie es etwa der EU-Binnenkommissar Thierry Breton fordert.

Kohärenter Ansatz überfällig

In einem hat Breton aber wohl recht: Es braucht einen womöglich radikal neuen Ansatz in der Infrastrukturpolitik. Dabei darf jedoch nicht aus den Augen geraten, dass die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, wozu inzwischen zeitgemäße Internetanschlüsse zählen, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch demokratiepolitisch wichtig ist.

Zum Teil hat die Politik bereits erkannt, dass der Markt alleine nicht alle Probleme lösen kann. Insbesondere in ländlichen Gegenden haben schlussendlich staatliche Interventionen den Ausbau weiter vorangebracht als die vollmundigen Versprechen der Branche. Für die hat sich der Ausbau solcher Regionen in der Vergangenheit wirtschaftlich schlicht nicht gelohnt und wird sich auch in Zukunft meist nicht lohnen.

Doch trotz aller Fortschritte wartet Deutschland weiterhin auf die Einlösung des Versprechens von Ex-Kanzlerin Merkel, bis zum Jahr 2018 allen Haushalten mindestens 50-MBit/s-Leitungen zu liefern. Nicht einmal die Verpflichtung, staatlich geförderte Netze für andere Betreiber zu öffnen, lässt sich offenbar, knapp zehn Jahre nach Beginn des subventionierten Ausbaus, reibungslos umsetzen.

Das ständige Feilen an den Rändern, ob durch indirekt frisierte Berichte, EU-Sonderregelungen für ausgerechnet kleinere deutsche Netzbetreiber oder das allmählich zum Treppenwitz sich wandelnde Recht auf Breitband, wird die Probleme langfristig nicht lösen, sondern sie nur weiter einzementieren.

Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel

Author: Tomas Rudl

Dieses bild teilen :.