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KI-Bild von Bunker an Steilküste widerlegt Meeresspiegelanstieg nicht

Dieser Artikel stammt von CORRECTIV.Faktencheck / Zur Quelle wechseln

„Der Meeresspiegel steigt immer weiter“, hieß es im November in einem Tiktok-Video, das mehr als eine Million Aufrufe erhielt. Darin sind zwei Bilder eines Bunkers an einer Steilküste zu sehen. Eines ist schwarz-weiß ist zeigt Menschen in Uniform, das andere ist farbig und zeigt Menschen in Freizeitkleidung. 

Der offensichtlich ironische Satz auf den Bildern wird von Nutzenden als das verstanden, was er ist: Die Behauptung, dass der Meeresspiegel in Folge des Klimawandels nicht steige. Das zeigt sich an den Kommentaren von Nutzerinnen und Nutzern, sie schreiben zum Beispiel: „der [Meeresspiegel, Anm. d. Red.] steigt nur bei den Grünen“ oder „Komisch… Bei uns an der Nordsee ist der Wasserspiegel auch so dramatisch gleich geblieben.“

Solche Behauptungen begegnen uns seit Jahren immer wieder. 2023 widerlegten wir sie in Bezug auf New York, 2024 in Bezug auf Rio de Janeiro. Für den aktuellen Fall zeigt unsere Recherche: Die Aufnahme ist KI-generiert und stammt ursprünglich von einem Facebook-Account, der ausschließlich solche Bilder verbreitet. 

Diese Collage beschwerte einem Tiktok-Account mehr als eine Million Aufrufe (Quelle: The global Lens / Tiktok / kai.s77; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bunkerbild ist KI-generiert und stammt ursprünglich von Facebook

Wir haben uns zunächst das Bild im Tiktok-Beitrag genau angeschaut. Es gibt vor, eine historische schwarz-weiß Aufnahme eines Bunkers mit einem aktuellen Bild zu vergleichen. Darauf zu sehen ist ein verfallener Bunker an einer Steilküste mit hellen Felsen. In den Bunker eingemeißelt ist ein großer Adler, der an die Emblematik des Dritten Reichs erinnert. In der vermeintlich historischen Aufnahme sind Menschen in Uniform, in der aktuellen Menschen in Freizeitkleidung zu sehen.

Wir haben mit einer Bilder-Rückwärtssuche nach dem Aufnahmeort gesucht und stießen dabei auf den Facebook-Account „The global Lens“. Im Facebook-Beitrag des Accounts heißt es, die Aufnahme zeige einen Bunker an Kreidefelsen auf Rügen. Der Account verbreitet seit 2024 KI-generierte Aufnahmen. Diese kennzeichnet er seit einiger Zeit nicht mehr und führt so Nutzende in die Irre. So verhält es sich auch mit dem Bild des Bunkers.

Soldat schweben und Proportionen stimmen nicht: Daran lässt sich der KI-Fake erkennen

Wie uns Stefanie Besch, Pressesprecherin des Landkreises Vorpommern-Rügen im November auf Anfrage mitteilte, wurde die Aufnahme „nicht auf der Insel Rügen“ gemacht. Den Fake verraten auch Details im Bild selbst. Einer der Männer in Uniform schwebt frei in der Luft. In der farbigen Aufnahme sind zwei Personen zu sehen, die sich offenbar ein Bein „teilen“, eine andere hat scheinbar zwei Köpfe. 

Ebenfalls seltsam sind die Größenverhältnisse: Auf der schwarz-weiß Aufnahme sind die Soldaten im Vergleich zu den Personen auf dem Farbfoto zu groß. Und auch der Bunker sieht auf den Bildern nicht identisch aus. So ist auf dem schwarz-weiß Bild hinter dem herabgestürzten Teil eine Öffnung in der Mauer zu sehen, die sich im farbigen Bild an einer anderen Stelle befindet.

Einer der Soldaten schwebt, zwei Menschen teilen sich offenbar ein Bein, ein andere Person hat scheinbar zwei Köpfe (rote Markierungen). Eine Öffnung auf der schwarz-weiß Aufnahme ist im farbigen Bild mehrere Meter weiter rechts (grüne Markierung). (Quelle: The global Lens; Screenshot und Markierungen: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Account verbreitete weitere KI-Fakes von Bunkeranlagen auf Rügen. In einem Fall ist die Fälschung noch offensichtlicher: In der farbigen Version der Szene ist ein riesiger Adler auf dem Bunker zu sehen, der in der schwarz-weiß Aufnahme fehlt. In den Kommentaren weisen Nutzerinnen und Nutzer immer wieder darauf hin, dass die vermeintlich historischen Aufnahmen Fälschungen sind. 

Auch diese Aufnahme des Facebook-Accounts „The global Lens“ soll auf Rügen entstanden sein. Sie ist ebenfalls fake. (Quelle: The global Lens / Facebook; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Neben den Kreidefelsen auf Rügen scheinen die Bilder an den sogenannten Atlantikwall angelehnt zu sein: Eine Reihe von über 8.000 Bunkern, die die Nationalsozialisten entlang der Küste Norwegens bis nach Frankreich errichteten. Die Fotografin Annet van der Voort hat viele Aufnahmen der Bauwerke gemacht. 

Auf unsere Anfrage antwortete der Facebook-Account bis zur Veröffentlichung nicht.

Meeresspiegel steigt auch im deutschen Teil der Ostsee

Unabhängig davon steigt der Meeresspiegel an der deutschen Ostseeküste, wenn auch regional unterschiedlich. Konkrete Daten über den Anstieg des Meeresspiegels im deutschen Teil der Ostsee stellt der Meeresspiegel-Monitor des Helmholtz-Zentrums „hereon“ bereit. Messstationen in Warnemünde, Travemünde und Kiel zeigen alle einen Anstieg des Meeresspiegels. An der Messstation in Kiel lag der Anstieg bei 7 Zentimetern in den letzten 50 Jahren, in Travemünde bei 10 Zentimetern. 

Im Klimareport Mecklenburg-Vorpommern schreibt der Deutsche Wetterdienst (DWD), dass man zu diesen Anstiegen die Landsenkung oder Landhebung der entsprechenden Orte hinzurechnen muss. Als Ausgleichsbewegung nach der letzten Eiszeit heben sich laut Report weite Teile Skandinaviens an, während sich ein Großteil der deutschen Nordseeküste senkt. Die Ostseeküste befindet sich „im Übergangsbereich zwischen Landhebung und Landsenkung“ so der DWD, daher die regionalen Unterschiede. Der absolute Meeresspiegel seit 1960 sei etwa um 1,4 bis 2,0 Millimeter pro Jahr angestiegen. 

Die Hafencity Universität Hamburg zeigt mit einer interaktiven Karte, was der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 1,8 und 3,7 Grad Celsius für den Anstieg des Meeresspiegels und in der Konsequenz für deutsche Inseln und die Küsten bedeuten könnte. Darauf ist auch zu sehen, welche Teile Rügens von den Folgen betroffen wären: 

Auch Rügen wäre durch den Anstieg des Meeresspiegels betroffen (Quelle: Hafencity Universität Hamburg; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Gezeiten und Klimawandeln haben wesentlichen Einfluss auf den Meeresspiegel

Ein Muster, das sich in all den von uns überprüften Bildvergleichen zeigt, ist, dass sie stets außer Acht lassen, dass der Meeresspiegel über das Jahr hinweg und auch an einem Tag stark schwanken kann. Deswegen sind solche Fotovergleiche nicht sinnvoll. 

Darüber hinaus gilt der globale Meeresspiegelanstieg als Folge des Klimawandels mittlerweile als gesichert. 2023 schrieb der Weltklimarat dazu, dass der Meeresspiegel zwischen 1901 und 2018 im globalen Mittel um 20 Zentimeter gestiegen sei. Zudem habe sich der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt. Stieg er zwischen 1901 und 1971 noch um 1,3 Millimeter pro Jahr, seien es zwischen 2006 und 2018 bereits 3,7 Millimeter gewesen. Als Ursache dafür macht der Weltklimarat den Einfluss des Menschen aus.

CORRECTIV beschäftigte sich bereits 2019 umfangreich mit dem Anstieg des Meeresspiegels. Alle Artikel der Serie „steigende Meere“ finden Sie hier.

Redigatur: Steffen Kutzner, Paulina Thom

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Synthesebericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2023: Link (Englisch, archiviert)
  • Klimareport Mecklenburg-Vorpommern 2024: Link (archiviert)

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Author: Matthias Bau

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