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Pilot bestätigt: GPS-Probleme von der Leyens echt – und warum sie geleugnet werden
von Philip Kreißel | Sep. 3, 2025 | Faktencheck
Eine Aufzeichnung der Radiokommunikation zwischen Pilot und Flughafen bestätigt: Das Flugzeug von Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte tatsächlich GPS-Probleme auf dem Weg nach Bulgarien. Bulgarische Behörden machten zunächst Russland für die Störung des GPS auf dem Flug verantwortlich. Nach einigen Rückfragen tun sie das jetzt nicht mehr (Stand 4. September). Allerdings war der Vorfall nicht so dramatisch wie von der Financial Times beschrieben. Pro-russische Medien nutzen das jetzt aus – und verbreiten Lügen über den Vorfall. Wir zeigen euch, wie ihr euch selbst ein Bild davon machen könnt, was vorgefallen ist.
Financial Times berichtet fehlerhaft
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war per Flugzeug auf dem Weg nach Bulgarien, als die Piloten des Flugzeugs per Funk eine GPS-Störung an den Tower des Zielflughafens meldeten. Das Flugzeug erreichte auch mit viel Verspätung sein Ziel. Die Meldung über das gestörte GPS löste eine große Menge Medienberichterstattung und Spekulationen über Russland als Übeltäter aus.
Die Financial Times war die erste, die über einen möglichen russischen Einfluss auf das GPS-System von Ursula von der Leyens Flugzeug berichtete. Sie stellte aber den Vorfall etwas dramatischer dar, als es wohl war. Unter anderem berichteten sie auch, dass das Flugzeug „eine Stunde lang kreiste“, bevor es gezwungen war, mit „Papierkarten zu landen“. Auch eine CNN-Quelle spricht von „Papierkarten“. Offenbar war der Journalist der Financial Times sogar an Bord des Flugzeugs. Er berichtet, dass das Flugzeug „die [geplante] Ankunftszeit bei weitem verpasst hat“, allerdings ist das nicht verwunderlich, da es auch später losgeflogen ist. Es gab sicher nicht genug Zeit, um eine Stunde lang zu kreisen. Auch die Flugdaten geben das nicht her.

Die bulgarische Regierung hat hier schon vorsichtig klargestellt: die Bodenstation habe dem Flugzeug bei dem Ausfall des GPS andere Navigationshilfen (damit ist vermutlich gemeint: ILS) zur Verfügung gestellt. Für solche Anflug-Ereignisse gibt es dann Pläne, die wir durchaus als „Paper Maps“ durchgehen lassen würden, aber es gibt eben noch andere Navigationshilfen, die das Ganze in ihrer Dramatik etwas relativieren.
Das zeigt auch: Solche GPS Ausfälle sind nervig, aber wenn Russland dafür verantwortlich sein sollte (was zwar meistens der Fall ist, aber in diesem Fall weder von uns noch den bulgarischen Behörden unabhängig bestätigt werden kann), dann war es noch lange kein „Mordanschlag“, wie manche daraufhin auf X und anderen Plattformen tönten.

GPS-Ausfall ist bestätigt
Was allerdings als bestätigt gelten kann: Die Piloten hatten Schwierigkeiten mit dem GPS. Das zeigen Aufzeichnungen der Radio-Kommunikation zwischen Piloten und Tower, die auf der darauf spezialisierten Seite liveatc.net archiviert wurden. Dabei ist klar von GPS-Problemen die Rede, sogar an mehreren Stellen. Zuerst darüber berichtet hatte die dänische Seite feitoffake. Unabhängig davon wurde es von dem OSINT-Account @auonsson aufgegriffen, der auf GPS-Jamming spezialisiert ist.
Ihr könnt euch also die Aufzeichnungen ansehen und selbst beurteilen. Sie bestätigen die Aussagen der bulgarischen Regierung und der EU-Kommission zu einem Ausfall der GPS-Navigation und der Nutzung anderer Navigationshilfen.
Pro-russische Propaganda greift verwirrende Daten auf
Die Seite flightradar24 zeigte anhand von Flugdaten, dass das Flugzeug von von der Leyen durchgehend gute Positionsdaten gemeldet hatte. Diese Positionsdaten geben aber nur Auskunft über die Qualität der Positionsdaten, nicht über die Quelle. Das Flugzeug entscheidet, ob und welche Daten es sendet.

Daraus machten Medien mit pro-russischem bias, etwa das unseriöse und tendenziöse Magazin „Berliner Zeitung“, eine vermeintliche „Widerlegung“ des Vorfalls: Die bulgarischen Behörden, die EU-Kommission und die Financial Times würden alle lügen, was natürlich erst mal absurd ist.

Dies wird allerdings von den Pilotenaufzeichnungen widerlegt, die eindeutig und unabhängig zeigen, dass sie mit GPS-Problemen zu kämpfen hatten.
Warum das Flugzeug dennoch gute Positionsdaten sendete, ist unklar. Eine mögliche Erklärung wäre, dass das Charterflugzeug aus Sicherheitsgründen nicht live den Erfolg einer möglichen gezielten Störung der ganzen Welt mitteilen wollte, während die Kommissionspräsidentin an Bord ist. Grundsätzlich können wir hier nur spekulieren. Wir haben EU Kommission, die Charterfirma und die Financial Times um einen Kommentar gebeten, aber keine detaillierten Antworten erhalten.
Die Wahrheit ist oft komplizierter, als gedacht
Die Faktenlage in einem solchen Fall zu durchdringen, ist gar nicht so einfach. Die EU-Kommission war hier auch keine große Hilfe, da sie keine Details kommunizierte und den falschen Details in der Financial Times nicht widersprach. Solche Intransparenz ist natürlich ein großes Geschenk an Putin und dessen Desinformationsmaschine und mitverantwortlich für die jetztige Verwirrung.
Immer noch sind einige Details unklar und wir aktualisieren den Artikel, falls wir noch weitere Informationen erfahren. Wir können allerdings mit großer Sicherheit sagen, dass die Piloten an Bord des Flugzeugs von Ursula von der Leyen durchaus mit einem GPS-Ausfall konfrontiert waren und dies auch dem Tower am Boden so kommunizierten.
Wie immer ist es wichtig, bei solchen Vorfällen nicht zu überreagieren und nicht von kleinen Info-Schnipseln auf riesige Weltverschwörungen zu schließen.
Artikelbild: Mindaugas Kulbis/AP/dpa, Screenshot https://www.berliner-zeitung.de/
EDIT 4. September: Statement der bulgarischen Behörden eingefügt.
