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RKI-Files: Wie Medien auf die Querdenker-Inszenierung hereinfielen

RKI-Files: Wie Medien auf die Querdenker-Inszenierung hereinfielen

Ein für Desinformation und Verschwörungsmythen bekannter Blog hat vor Gericht die Veröffentlichung der RKI-Sitzungsprotokolle des Corona-Krisenstabs erstritten. In den jetzt „RKI-Files“ genannten Dokumenten steht aber kaum Neues oder Skandalöses. Insgesamt zeigten die Protokolle, dass das RKI die Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen sorgfältig abwog und dass die letztendlichen Entscheidungen über die Umsetzung von Maßnahmen bei der Politik lagen.

Mit großer Verzweiflung versuchten die Verschwörungsideologen dennoch, einen Skandal daraus zu inszenieren, jedoch ohne jegliche Grundlage für ihre Behauptungen. Das Problem: Auch seriöse Medien wie das ZDF schreiben am Ende das Framing jedoch vom Schwurbler-Blog ab und rissen ebenfalls einige Sätze aus dem Kontext und richteten damit großen Schaden an. Was wirklich hinter dem inszenierten Skandal steckt.

Was in den RKI-Files wirklich steht

Im Wesentlichen geht es um vier wichtige Punkte, die diskutiert werden. Das waren unter anderem die Entscheidung des RKI im März 2020, die Risikobewertung für die Gesundheit der Bevölkerung durch Corona von „mäßig“ auf „hoch“ einzustufen, die von einigen fälschlicherweise als politisch motiviert angesehen wurde. Experten und das RKI selbst klärten jedoch auf, dass diese Entscheidung auf einer fachlichen Neubewertung beruhte, die in Anbetracht des schnellen Anstiegs der Infektionszahlen nicht überraschend kam.

Weitere Diskussionen gab es um den Nutzen von FFP2-Masken und die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffes, wobei bestimmte Aussagen aus den Protokollen aus ihrem Kontext gerissen und missinterpretiert werden. Auch wurde ein Satz über afrikanische Maßnahmen aus dem Kontext gerissen und auf Deutschland übertragen. Insgesamt zeigen die RKI-Files, dass das RKI die Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen sorgfältig abwog. Aber schauen wir uns die vier Punkte im genauen an.

1. Risiko-Einstufung auf „Hoch“ war richtig

Im März 2020 hat das RKI das Risiko von Corona von „mäßig“ auf „hoch“ hochgestuft. Diese Entscheidung wurde intern vom RKI getroffen, wegen eines rasanten Anstiegs an Corona-Infektionen. Während am 4. März 2020 erst 262 Fälle in Deutschland gemeldet wurden, waren es am 16. März bereits kumuliert 6.012 Fälle. Dies deutet auf ein klassisches exponentielles Wachstum hin. Zudem stieg die Positivrate der Tests in Deutschland innerhalb einer Woche um mehr als einen Prozentpunkt – ein signifikanter Anstieg. Desinformationsverbreiter versuchen das als minimal zu framen, aber das bedeutet einen relativen Anstieg um fast 20 %!

Hinzu kommt: Dies spiegelte nur einen Bruchteil des tatsächlichen Infektionsgeschehens wider. Außerdem der weltweite, drastische Anstieg der Infektionsfälle, beispielsweise in Bergamo, Italien. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erklärte COVID-19 auch vorher, am 11. März, zur Pandemie. Mit der Hochstufung des Risikos reihte sich Deutschland in eine internationale Abfolge von Maßnahmen ein, zu denen in verschiedenen Ländern der Notstand ausgerufen und landesweite Ausgangssperren verhängt wurden.

In Anbetracht der schwerwiegenden Konsequenzen der Pandemie, die allein in Deutschland zu 182.896 Todesfällen führte, erscheint es makaber und unangemessen, im Nachhinein die korrekte Risikohochstufung als falsch zu bezeichnen. Die Entscheidungen des RKI basierten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und der damals verfügbaren Evidenz und waren Teil eines weltweiten Bestrebens, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Das erklärte auch das RKI:

Ein RKI Mitarbeiter sollte die Veröffentlichung freigeben

Damit nicht einzelne RKI-Mitarbeiter durch die Veröffentlichung der RKI-Files der Querdenker-Meute vorgeworfen werden, die längst eine extremistische Bewegung sind, die oft schon Morddrohungen verschickte und deren Hetze auch bereits eine Ärztin in den Selbstmord getrieben haben soll, wurde dessen Namen nachvollziehbarerweise geschwärzt. Wie man deutlich in den RKI-Files sehen kann, ging es dabei nicht um die fachliche Einschätzung, sondern nur um die Freigabe der Risikobewertung für die Öffentlichkeit.

Die verschwörungsgläubigen Querdenker behaupteten natürlich einfach, dass es sich hierbei nicht um einen RKI-Mitarbeiter handeln sollte, sondern um einen Politiker oder sonst wen. Dafür gibt es natürlich wie so oft bei denen keine Belege – und das RKI hat bereits erklärt, dass es natürlich ein interner Mitarbeiter war, der Statements freigeben muss, wie bei allen Veröffentlichungen. Auch Lauterbach erklärte – der damals NICHT Gesundheitsminister war: „Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet“. Also: Eine nachvollziehbare, evidenzbasierte Hochstufung. Und von einem Skandal weit und breit nichts zu sehen.

2. Masken wirken nachweislich – das ist wissenschaftlicher Konsens

Masken sind sicher und haben funktioniert. Meta-Studien zeigen, dass Masken wirken. Chen et al. 2022Chu et al. 2020Chaabna et al. 2021 und Talic et al. 2021. Hier dutzende weitere Studien, die das belegen:

Und nein, auch die „Cochrane-Studie“ widerlegt das nicht, selbst wenn sie nicht handwerklich schlecht gemacht gewesen wäre und Cochrane sich nicht selbst von den unwissenschaftlichen Behauptungen distanziert hätte: [Die Studie] widerlege „keineswegs, dass eine konsequent und korrekt getragene Gesichtsmaske im Einzelfall einen bedeutsamen Effekt auf das individuelle Infektionsrisiko haben könnte.“ Alles ausführlich erklärt und belegt hier.

Masken schützen & Cochrane widerlegt das auch nicht – sagen sie selbst

Satz aus dem Kontext gerissen

Masken wirken, das ist heute ein wissenschaftlich solide belegter Fakt – direkt zu Anfang der Pandemie war aber vieles noch nicht so klar. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Studien, die den hohen Ansprüchen genügten, um den Nutzen von Masken in der Allgemeinbevölkerung mit Blick auf Covid-19 zu belegen. Aber: Dass Masken nicht wirkungslos sind, wissen wir ja nicht erst seit der Pandemie: Dass Ärzte z.B. in Operationen Masken tragen, ist ja nicht nur zum Spaß. Sie wirken, wie sehr im Alltag während einer Pandemie, mit der Gesamtbevölkerung ist allerdings nicht so klar gewesen.

Die internen Protokolle der RKI-Files zeigen, was man damals intern diskutiert hatte, der Kontext wird allerdings nicht immer erwähnt, wie das RKI selbst erklärt:

„Die Protokolle geben die Diskussionen und Entscheidungen im Krisenstab zum jeweiligen Zeitpunkt und Kenntnisstand wieder. Kontext und Datengrundlagen werden allerdings nicht immer erwähnt, da diese in anderen Unterlagen zur Verfügung standen, wie z.B. den Tages- und Wochenberichten (nach wie vor auf den RKI-Internetseiten zugänglich) oder anderen Veröffentlichungen. Deshalb müssen die Protokolle immer in ihrem Kontext gesehen und interpretiert werden.“

Im Oktober 2020 verzeichnete ein Protokoll des Robert Koch-Instituts (RKI) die Aussage, dass es „keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes“ gebe. Das ist aber sogar gut, wir dürfen dankbar sein, dass es Maskenmandate gab, auch ohne diese Evidenz. Denn wie wir heute wissen, haben sie gewirkt und Leben gerettet.

„Bis von einer wissenschaftlichen Evidenz ausgegangen werden kann, vergeht viel Zeit“, sagte Hajo Zeeb, Professor für Epidemiologie an der Universität Bremen, der Tagesschau. „Es hätte der Bevölkerung mit Sicherheit nicht geholfen, erst einmal keinerlei Maßnahmen zu treffen und auf Studienergebnisse zu warten.“

Man wusste, dass eine Maske bei einem Virus, das durch Aerosole und Tröpfchen übertragen wird, zu einem gewissen Maß helfen wird, auch wenn man keine Zeit hatte, lange auf Studien zu warten, während jetzt akut tausende Menschen starben. Einen Skandal können hier nur ideologische Querdenker entdecken.

3. AstraZeneca wirkt, aber schlechter als andere Impfungen – und das war bekannt

Das Nächste aus den RKI-Files ist wieder ein Satz, der von Querdenkern böswillig aus dem Kontext gerissen wurde. Es ist wichtig, den Kontext dieser Bewertung zu verstehen: Schon zu Beginn der Impfkampagne war bekannt, dass die Wirksamkeit von AstraZeneca mit 76 Prozent etwas unter der von Moderna und BioNTech/Pfizer liegenden Wirksamkeit von über 90 Prozent für die damals vorherrschende Coronavirus-Variante stand. Diese Zahlen spiegeln den Wissensstand zum Zeitpunkt der Impfstoffeinführung wider und waren Teil der transparenten Kommunikation über die verschiedenen Impfstoffoptionen. Volksverpetzer hatte kurz darauf damals auch einen Faktencheck veröffentlicht.

Faktencheck Thrombosen & Impf-Stopp: Sind Pille & AstraZeneca vergleichbar?

Der AstraZeneca-Impfstoff wurde dann nun in den RKI-Files als „weniger perfekt“ im Vergleich zu Moderna und BioNTech/Pfizer beschrieben. Es entstand die falsche Behauptung der Querdenker, dass die Empfehlung von AstraZeneca für alle Altersgruppen auf unzureichender oder fragwürdiger Grundlage beruhte. Tatsächlich basierte die Empfehlung auf der Wirksamkeit des Impfstoffs, die in großangelegten Impfkampagnen in England und Schottland bestätigt wurde. Zudem war AstraZeneca zu diesem Zeitpunkt einer der wenigen verfügbaren Impfstoffe, was seine breite Anwendung und die Entscheidung der Ständigen Impfkommission (STIKO), ihn zunächst für alle Altersgruppen zu empfehlen, erklärt. Nach dem Auftreten seltener Nebenwirkungen, wie der Sinusvenenthrombose, wurde die Empfehlung angepasst, um ein optimales Sicherheitsprofil zu gewährleisten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der AstraZeneca-Impfstoff, trotz einer etwas geringeren Wirksamkeit im direkten Vergleich und der später identifizierten seltenen Nebenwirkungen, eine wirksame und schnelle Lösung im Kampf gegen COVID-19 bot. Die Berichterstattung und Diskussionen rund um diesen Impfstoff sollten immer den damaligen Kenntnisstand und den Kontext berücksichtigen, in dem Entscheidungen getroffen wurden. Auch hier in den RKI-Files von Skandal weit und breit keine Spur. Und nichts, was wir damals nicht auch schon wussten.

4. Aus Kontext gerissenes Zitat über Maßnahmen in Afrika

In Afrika hatten die Lockdown-Maßnahmen indirekte negative Effekte, unter anderem durch „Lücken in der Behandlung von Tuberkulose“ und die Aussetzung von Routineimpfprogrammen, was zu einer steigenden Kindersterblichkeit führte, wie es in den RKI-Files selbst steht. Diese spezifischen Auswirkungen sind deutlich von den Konsequenzen des Lockdowns in Deutschland zu unterscheiden und können nicht ohne weiteres übertragen werden, wegen unterschiedlicher Demographie und Gesundheitssysteme. Dazu sagte das RKI in den RKI-Files aber ebenfalls: „Lockdowns haben zum Teil schwerere Konsequenzen als Covid selbst“. Dieser Satz wurde von Desinformationsverbreitern bewusst aus dem Kontext gerissen. Anscheinend auch bewusst teilweise.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das RKI nie die Ansicht vertrat, dass die Folgen des Lockdowns in Deutschland schwerwiegender seien als die direkten Auswirkungen von COVID-19. Vielmehr bezog sich die spezifische Kritik an den Lockdown-Konsequenzen auf den Kontext in Afrika. Wo die Maßnahmen zu unbeabsichtigten Nebenwirkungen im Gesundheitssystem führten. In einem Land, in dem das und die Bevölkerungszusammensetzung ganz anders ist als in Deutschland – wir haben eine im Schnitt viel ältere Bevölkerung, die mehr gefährdet war. Das hier sind Äpfel und Birnen. Und hier sieht man auch deutlich, wie die Querdenker mit aus dem Kontext gerissenen Sätzen manipulieren wollten.

Das RKI hat differenziert gehandelt – Querdenker lügen mal wieder eine Verschwörung herbei

Die veröffentlichten Protokolle des RKI in den RKI-Files bezüglich der Corona-Pandemie enthalten keine überraschenden Neuigkeiten. Sie verdeutlichen vielmehr, dass das RKI seine Arbeit mit der gewohnten Differenziertheit und auf Basis des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Stands durchgeführt hat. Die Empfehlungen und Entscheidungen des RKI zu den Corona-Maßnahmen wurden stets sorgfältig reflektiert und abgewogen, wobei letztendlich die politischen Entscheidungsträger die Umsetzung spezifischer Empfehlungen verantworteten. Und nicht jeder Satz war auch eine Entscheidung. Das RKI schreibt auch:

„Die Krisenstab-Protokolle sind Zusammenfassungen von Diskussionen, die innerhalb des COVID-19-Krisenstabs des RKI stattgefunden haben. Diese Diskussionen spiegeln den offenen wissenschaftlichen Diskurs wider, in dem verschiedene Perspektiven angesprochen und abgewogen werden. Einzelne Äußerungen im Rahmen solcher Diskussionen spiegeln jedoch nicht zwangsläufig die dann abgestimmte Position des RKI wider.“

Fehler im Management der weltweiten Pandemie sind unvermeidlich, und es ist wichtig, diese zu erkennen, darüber zu diskutieren und aus ihnen für zukünftige gesundheitliche Herausforderungen zu lernen. Es ist jedoch nicht zielführend, bereits bekannte Fakten zu skandalisieren oder Verschwörungserzählungen daraus zu konstruieren. Vielmehr sollten die Erkenntnisse genutzt werden, um die Reaktionsfähigkeit auf ähnliche Krisen in der Zukunft zu verbessern. Genau das wird aber eben durch die Verschwörungsideologen unmöglich gemacht. Indem Kontext bewusst weggelassen wird, und Dinge skandalisiert und falsch dargestellt werden, die das nicht sind. Und auch die vermeintlich seriösen Medien, die bei der Aufarbeitung dieses Themes völlig versagt haben.

ZDF mit journalistischem Totalversagen

Dass ein Desinformations- und verschwörungsideologischer Blog Zitate aus dem Kontext reißt, und differenzierte und nachvollziehbare Entscheidungen skandalös framed und wie immer alles negativ und unehrlich auslegt, das ist seit Jahren der Fall. Der Blog, der die RKI-Files erstritten hat, gehört zu den „klassischen verschwörungstheoretischen Alternativmedien“. Dementsprechend berichtete man über diesen fiktiven Skandal fast eine Woche lang nur innerhalb der rechtsideologischen alternativen Medienwelt. Dann hat das ZDF aber einen riesigen Bock geschossen.

Eine knappe Woche später berichtete Hauptstadtkorrespondentin Britta Spiekermann im ZDF über „Die brisanten Corona-Protokolle des RKI“ und übernahm dabei nicht nur Querdenker-Framing. Sondern hat bei den entsprechenden Zitaten ebenfalls genau jenen wichtiger Kontext weggelassen, der essentiell war. Die ZDF-Autorin stellte den Querdenker-Blog völlig unkritisch als „Journalisten“ dar – völlig ohne Hinweis auf die unseriöse und ideologische Schlagseite.

„Multipolar“ wird unter anderem vom Autor Paul Schreyer herausgegeben, der „Bücher mit Verschwörungserzählungen zu den Anschlägen vom 11. September veröffentlicht hat und mehr Verständnis für die Politik Russlands gefordert hat“, wie der SPIEGEL schreibt. 2020 hat er ein Buch über die Corona-Pandemie veröffentlicht, in dem er sie als inszenierte Krise darstellt. Hier gibt es eine eindeutige Agenda. Das ZDF schrieb einfach ab.

RKI-Files: Wie Medien auf die Querdenker-Inszenierung hereinfielen

Zwischenzeitlich musste das ZDF nach massiver Kritik den Beitrag mehrfach anpassen. Der entscheidende Kontext wurde teilweise nachgetragen und eine Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums wurde offenbar erst DANACH eingeholt, was nicht journalstischen Standards entspricht.

RKI-Files: Wie Medien auf die Querdenker-Inszenierung hereinfielen

Der Journalist Gunnar Hamann, der auch für Volksverpetzer schreibt, kommentierte über die ZDF-Autorin auf Twitter: „Wer sich über die seltsam unkritische Darstellung OHNE Erwähnung zu den Hintergründen des Verschwörungsmediums „Multipolar Magazin“ wundert: Das hier sind Auszüge aus dem Profil der verantwortlichen Journalistin.“ Zu sehen sind Likes bei Anti-Impf-Beiträgen und Follows bei radikalen Impfgegnern und Desinformationsverbreitern. Wurden hier voreingenommene unseriös Querdenker-Thesen beim ZDF lanciert?

RKI-Files: Wie Medien auf die Querdenker-Inszenierung hereinfielen

Andere Medien schrieben ab

Die RKI-Files zeigen überhaupt keinen Skandal, alle stritten Punkte sind entweder nachvollziehbar oder durch den tatsächlichen Kontext verständlich und sogar lobenswert. Einen Skandal sieht man nur, wenn nicht das ganze Bild kennt – oder ideologisch auf das Framing hereingefallen ist. Umso fataler, dass das ZDF völlig unverantwortlich den Startschuss gegeben hat, das verschwörungsideolische Framing zu adeln. Und einen Verschwörungs-Blog als seriöses Medium zu inszenieren. Dass das Fake-News-Blatt BILD oder die für Corona-Desinformation bekannte WELT das aufgreifen ist kein Wunder, aber auch einige andere Medien.

RKI-Files: Wie Medien auf die Querdenker-Inszenierung hereinfielen

Und die üblichen Verdächtigen schlachten das natürlich entsprechend aus. Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen, lehnte die Bildung eines Untersuchungsausschusses ab und kritisierte die AfD, Sahra Wagenknecht und Wolfgang Kubicki dafür, die Aufarbeitung der Pandemie zu politischen Zwecken im Vorfeld anstehender Wahlen nutzen zu wollen. Er betonte, dass die strengen Maßnahmen zu Beginn der Pandemie, zu einem Zeitpunkt, als noch keine Impfstoffe verfügbar waren und ein Mangel an Schutzausrüstung herrschte, zahlreiche Leben gerettet hätten. Er spekulierte sogar, ob nicht schon wieder ausländische Geheimdienste hinter dem inszenierten Skandal steckten.

Seriöse Medien müssen dringend dazulernen

„Querdenker“, Verschwörungsgläubige und natürlich auch die Rechtsextremen konnten wieder mal einen großes Erfolg feiern, dass ihre irreführende Deutung der RKI-Files prominent und unkritisch in den Mainstream-Medien verbreitet wurde. Es ist wieder ein großes Medienversagen, das sich in eine inzwischen lange Reihe einreiht. Immer öfter fallen auch seriöse Medien derart negativ auf. Erst wenige Tage zuvor wurde ebenfalls von rechten Verschwörungsmedien das „Schlumpf-Märchen“ lanciert, das auch von eigentlich seriösen Medien aufgegriffen wurde.

Was aus dem rechten Märchen vom „Schlumpf-Skandal“ zu lernen ist

Alle sind sich einig, dass Verschwörungsmythen und Desinformation ein großes Problem in der Gesellschaft darstellen, dass der wachsende Rechtsextremismus um und mit der AfD ein demokratisches Problem darstellt. Doch das wird sich nicht ändern, im Gegenteil, das Problem wird immer größer werden, wenn es diesen Verschwörungsmedien immer und immer wieder gelingt, ihre Fake News oder irreführenden Framings in den „Mainstream“ zu lancieren.

„Die Diskussionen, die den Dokumenten zu entnehmen sind, sind sehr reflektiert. Sie zeigen, dass das RKI damals sehr wohl die Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen berücksichtigt hat.“, sagte Emanuel Wyler, Molekularbiologe am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) der Tagesschau, die immerhin eine Ehrenrettung für die Öffentlich-Rechtlichen mit einem zügigen Faktencheck veröffentlichte. Für jeden aus dem Kontext gerissenen Satz gibt es eine nachvollziehbare Erklärung. Insgesamt zeigen die RKI-Files, dass das RKI die Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen sorgfältig abwog und dass die letztendlichen Entscheidungen über die Umsetzung von Maßnahmen bei der Politik lagen. Wir brauchen eine Aufarbeitung der Pandemie. Aber vielleicht bitte durch seriöse Experten und nicht bekannte Lügner und Verschwörungsblogs, die einen Umsturz herbeiwünschen oder den Tod ihrer Kritiker.

Artikelbild: ralphmeiling

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