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Russische Desinformation
Russische Einflussnahme läuft weiter – Bundesregierung bisher machtlos
Russland setzt seine Versuche fort, den Wahlkampf vor der Bundestagswahl zu beeinflussen. Jetzt nimmt eine von CORRECTIV kürzlich aufgedeckte Desinformationskampagne auch Friedrich Merz mit einem gefälschten Artikel ins Visier. Die Bundesregierung sieht dagegen kaum Handlungsmöglichkeiten.
von Alexej Hock
, Max Bernhard
, Sarah Thust
, Till Eckert
Die russische Desinformationskampagne „Storm-1516“ nimmt an Fahrt auf. Binnen einer Woche hat sie zwei weitere gezielte Falschinformationen gegen die Kanzlerkandidaten Robert Habeck (Grüne) und Friedrich Merz (CDU) in Umlauf gebracht. Dabei wurden Internetseiten verwendet, die CORRECTIV und Newsguard mit Hilfe des Online-Rechercheprojekts Gnida im Januar als Teil einer Kampagne zur Beeinflussung der Bundestagswahl aufgedeckt hatten. Die Bundesregierung sieht kaum Handlungsspielraum gegen solche Desinformation von staatlichen Akteuren.
Die Artikel über Habeck und Merz wurden auf Kampagnenseiten mit den Titeln „Narrativ“ und „Wochenüberblick aus München“ veröffentlicht. Sie enthalten Bild- und Videomaterial, mit dem diffamierende Geschichten konstruiert werden. Bei Friedrich Merz wird anhand mutmaßlich gefälschter Dokumente seine psychische Gesundheit infrage gestellt, über Habeck wird behauptet, er und Claudia Roth seien in einen Korruptionsskandal mit der Ukraine verwickelt. Die Fakes wurden über die Plattform X verbreitet, allerdings mit bislang wenig Resonanz.
Charakteristisch für diese russische Kampagne sind teils KI-generierte Artikel auf Webseiten, die aussehen wie Nachrichtenseiten. Dazu gibt es Deepfake-Videos mit angeblichen Zeugenaussagen, und das alles wird über prorussische Influencer in Sozialen Netzwerken verbreitet. Unsere Recherche im Januar förderte mehr als 100 Webseiten zutage, von denen die meisten noch nicht für konkrete Fakes genutzt worden waren. Die neuesten Angriffe auf Merz und Habeck bestätigen die These, dass sie als Vorrat dienen und nach und nach für Desinformation zum Einsatz kommen.
Bundesregierung machtlos gegenüber ausländischer Einflussnahme?
Beide Webseiten werden über Server der litauischen Firma Hostinger und des deutschen Anbieters SIM-Networks betrieben. Der Web-Hosting-Anbieter aus Karlsruhe, bei dem etwa ein Drittel der 102 aufgedeckten vermeintlichen Nachrichtenportale liegen, antwortet auf Anfrage, dass „jegliche Überprüfungen und Feststellungen (…) ausschließlich von den Ermittlungs-, Strafverfolgungs- u.ä. deutschen Behörden nach einer staatsanwaltlicher, oder gerichtlicher Einordnung durchgeführt werden“ dürfen.
Das Bundesinnenministerium bestätigt, dass die deutschen Seiten weiter online sind, teilt aber mit: „Die klandestine Verbreitung von Desinformation durch ausländische staatliche Stellen in Deutschland ist grundsätzlich nicht strafbar. Dies erschwert behördliche Anweisungen an deutsche Provider für Abschaltungen, wie hier im Falle von SIM Networks.“
Hosting-Anbieter reagieren nur teilweise
Damit liegt es vor allem am Handlungswillen der privaten Unternehmen. Hostinger, wo ein weiteres Drittel der Kampagnenseiten lagen, hatte nach der Veröffentlichung von CORRECTIV reagiert: „Wir haben die entsprechenden Domains und Dienste abgeschaltet und untersuchen die Situation weiter.“
Der dritte Anbieter, das US-amerikanische Unternehmen Namecheap, reagierte auf mehrfache Anfragen von CORRECTIV nicht. Auch das US-Finanzministerium, das Verantwortliche hinter der Kampagne im vergangenen Dezember sanktioniert hatte, antwortete bisher nicht auf Fragen zu einem möglichen Verstoß gegen Sanktionen seitens Namecheap.
Die Einflussoperation „Storm-1516“ war im vergangenen Jahr bereits in den USA aktiv, wo unter anderem die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris attackiert wurde. CORRECTIV hatte zuletzt darüber berichtet, dass die Verantwortlichen mit Verbindungen zum russischen Militärgeheimdienst GRU ihren Fokus offenbar schlagartig auf Deutschland verlegten, nachdem im November bekannt wurde, dass die Bundestagswahl vorgezogen wird.
Eine Liste aller von CORRECTIV recherchierten Webseiten, die zu der Desinformationskampagne gehören, finden Sie hier zum Download (zuletzt aktualisiert am 4. Februar 2025).
Redigatur: Alice Echtermann
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Author: Sarah Thust
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