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Urteile Juli: AfD Brandenburg zieht Eilantrag gegen Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ zurück

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Urteile Juli: AfD Brandenburg zieht Eilantrag gegen Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ zurück

von Sophie Scheingraber | Juli 31, 2025 | Serie

Es gibt nicht nur immer mehr Prozesse gegen Demokratiefeinde – es gibt auch immer mehr Urteile. In unserer Urteile-Reihe beleuchten wir immer am Monatsende eine Auswahl an neuen Rechtsprechungen, die das Querdenker- und Reichsbürger-Milieu, den Rechtsextremismus, Antisemitismus oder Rassismus und andere demokratiefeindliche Gruppierungen in Deutschland betreffen. Die Trennlinie zwischen diesen verläuft häufig nicht scharf. Mit der Urteile-Reihe wollen wir, neben informieren, vor allem eins: Mut machen. Viele Urteile zeigen, dass der Rechtsstaat in Deutschland Demokratiefeinde nicht einfach ungestraft lässt.

Im Juni ging es unter anderem darum, dass eine selbst gemalte Pride-Flagge in einer Berliner Grundschule hängen bleiben durfte. Im Juli schauen wir unter anderem auf den zurückgezogenen Eilantrag der AfD Brandenburg gegen ihre Einstufung als “gesichert rechtsextremistisch”. Dazu gleich mehr!

Urteile Juni: Pride-Flagge ist zulässig & darf in Grundschule hängen

1. AfD Brandenburg zieht Eilantrag gegen Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ zurück

Im Mai 2025 stufte der Verfassungsschutz Brandenburg die Brandenburger AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. Zuvor galt sie als Verdachtsfall. Die Hochstufung durch den Brandenburger Verfassungsschutz erfolgte kurz nach der Hochstufung der Bundes-AfD als “gesichert rechtsextremistisch” durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. 

Wie auch die Bundes-AfD, klagte die Brandenburger AfD gegen die Hochstufung. Den Eilantrag zog sie nun jedoch zurück. Das bedeutet, dass das Eilverfahren beendet ist, wie ein Gerichtssprecher dem evangelischen Pressedienst bestätigte. Die Klage im Hauptverfahren bleibt aber bestehen. 

Aufgrund des Eilverfahrens gab der Brandenburger Verfassungsschutz eine sogenannte “Stillhaltezusage” ab. Das bedeutet, dass der Einstufungsvermerk, also die Sammlung an Belegen und Zitaten, die zur Hochstufung führten, nicht veröffentlicht wurde. Durch den zurückgezogenen Eilantrag kann die Veröffentlichung nun vorbereitet werden. Für ein skurriles Detail sorgte die AfD selbst. Denn sie beschwerte sich über die Nicht-Veröffentlichung der Einstufung, hatte diese jedoch selbst veranlasst, indem sie Klage einreichte und es so zur “Stillhaltezusage” kam. 

Übrigens: Obwohl die “Stillhaltezusage” auch bezüglich der Hochstufung der Bundes-AfD als “gesichert rechtsextremistisch” immer noch greift, ist dies ein ganz normales behördliches Vorgehen. Der Verfassungsschutz nahm die Hochstufung NICHT zurück.

Auch noch passiert im Juli: Die Einstufung der Bundes-AfD als Verdachtsfall ist nun endlich rechtskräftig. Der AfD bliebe nur noch eine Verfassungsbeschwerde. Da die Mühlen der Gerichte oft etwas langsamer mahlen, kam es erst im Jahr 2025, also vier Jahre nach der Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall, zu einer rechtskräftigen Bestätigung dieser Einstufung. Was von vielen nicht weiter beachtet wurde (verständlich, denn immerhin geht es ja nun bereits um die Einstufung als “gesichert rechtsextrem”): das Urteil enthält ein brisantes Detail, das für die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren wichtig ist:

Über dieses brisante Detail aus dem AfD-Verdachtsfall-Beschluss spricht keiner

2. Verfassungsbeschwerde unzulässig: Querdenker-Richter scheitert in Karlsruhe

Ein Weimarer Querdenker-Richter scheitert nun auch mit einer Verfassungsbeschwerde. Der Fall beschäftigt die Gerichte – und auch den Volksverpetzer – schon seit langem. Daher eine kurze Historie. Im April 2021, inmitten der Corona-Pandemie, untersagte der Familienrichter zwei Schulen in seinem Gerichtsbezirk, Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Virus bei Schüler:innen durchzusetzen: Mindestabstände, Maskenpflicht und Testpflicht sollten für sie nicht länger gelten. Das Bildungsministerium Thüringen reagierte bereits damals schnell und wies auf gravierende Mängel des Gerichtsbeschlusses hin. Auch wir berichteten damals und wiesen auf die juristische Fragwürdigkeit des Beschlusses hin.

Querdenker freuen sich zu früh: Quatsch-Beschluss aus Weimar hat „keine Auswirkungen“

Sein Beschluss wurde schon einen Monat später vom Thüringer Oberlandesgericht gekippt. Er selbst wurde vom Landgericht Erfurt 2023 wegen Rechtsbeugung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, ausgesetzt auf Bewährung. Diese Verurteilung bestätigte im November 2024 der Bundesgerichtshof. Auch wir berichteten:

Urteile des Monats November: Querdenker-Richter rechtskräftig verurteilt

Doch der Querdenker-Richter wollte sich weiter durch die Instanzen klagen. Nächste Station: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Doch auch dort erteilten ihm die zuständigen Richter:innen eine Abfuhr. Wie das Bundesverfassungsgericht nun entschied, ist seine Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung unzulässig. Damit droht dem Familienrichter, der seit Januar 2023 vom Dienst suspendiert ist, die endgültige Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. 

3. Sellner gerichtsfest ausgeladen: Stadt Chemnitz muss keine Räumlichkeiten zur Verfügung stellen

Die Chemnitzer Stadtratsfraktion PRO CHEMNITZ/Freie Sachsen  – vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft – wollte zu einer öffentlichen Stadtratsfraktionssitzung Martin Sellner, das Gesicht der rechtsextremen Identitären Bewegung, einladen. Er sollte über “Remigration” sprechen, das rechtsextreme Schlüsselwort, das Vertreibungen und Abschiebungen von Menschen aus Deutschland beschreibt – und das auch von deutschen Staatsbürgern, die nach Ansicht der Rechtsextremen „nicht hinreichend assimiliert“ seien.

Remigration von Deutschen: Gericht bestätigt Correctiv-Recherche?!

Als die Stadt Chemnitz von dem geplanten Auftritt Sellners erfuhr, zog sie eine bereits bestätigte Reservierung für einen Raum im Chemnitzer Rathaus zurück. Dagegen legten die Rechtsextremen einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Chemnitz ein. Diesen lehnte das Gericht ab. Die Begründung: Für das Thema “Remigration” bestehe keine Zuständigkeit des Chemnitzer Stadtrats. Gegen diesen Beschluss legte die Stadtratsfraktion Beschwerde ein.

Diese wies das Oberverwaltungsgericht Sachsen in Bautzen zurück. Es meldete ebenfalls Zweifel an, dass die Veranstaltung der Erfüllung von Aufgaben der Stadtratsfraktion dient. Außerdem könnte erwartet werden, dass extremistische und rassistische Inhalte verbreitet werden. Der Beschluss ist unanfechtbar und ein wichtiges und mutmachendes Signal für Stadtverwaltungen, dass Rechtsextremisten in einer Demokratie eben nicht Tür und Tor offenstehen. 

4. AfD-Schiedsgericht schließt Helferich aus

Ein AfD-Schiedsgericht hat den Parteiausschluss des AfD-Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich beschlossen. Er kann jetzt noch vor dem Bundesschiedsgericht der AfD Einspruch gegen die Entscheidung einlegen. Danach steht auch noch der Weg vor einem Zivilgericht offen. 

Der Rechtsstreit ist also noch lange nicht aus der Welt – doch warum genau möchte die AfD Helferich loswerden? Helferich gehört dem NRW-Landesverband an, dieser wollte ihn schon seit längerem aus der Partei werfen. Der AfD-Landesverband moniert Social Media Posts Helferichs, in denen er Migranten als “Viecher” diffamiert. Er bezeichnete sich bereits als “das freundliche Gesicht des NS” – angeblich, um sich über eine Fremdbeschreibung lustig zu machen. Er unterstützt den Verein “Ein Prozent” und förderte die JA, die ehemalige Jugendorganisation der AfD – beide Organisationen sind bzw. waren gesichert rechtsextrem. 

In einer monatelangen Recherche deckten wir die rechtsextremen Verbindungen der aktuellen AfD-Bundestagsabgeordneten auf. Auch in unserer Recherche taucht Helferich in verschiedenen Kategorien auf. Klick dich mal durch:

Alle rechtsextremen Verbindungen der AfD-Fraktion im Bundestag

Der Rauswurf Helferichs aus der rechtsextremen Partei hat wohl zum Grund, dass Helferich “zu ehrlich” rechtsextrem und somit das Bauernopfer der Partei ist. Fest steht: Der Machtkampf innerhalb der AfD Nordrhein-Westfalens schadet vor allem der AfD selbst. Die Rechtsextremisten bemühen sich einmal mehr, eine Scheinabgrenzung zum Extremismus auf die Beine zu stellen, doch lassen wir uns davon nicht täuschen. Die AfD hat einfach nur sehr große Angst vor einem Verbotsverfahren. 

Positionspapier: AfD im Panikmodus wegen der Verbotsdebatte

5. Aus Österreich: FPÖ-Abgeordnete verlieren gegen zeitung “Der Standard” – bei Begräbnis wurde SS-Lied gesungen

Die Recherche der österreichischen Tageszeitung “Der Standard” über die Teilnahme von FPÖ-Abgeordneten an einem Begräbnis, auf dem ein SS-Lied gesungen wurde, ist zulässig. Dies urteilte das Oberlandesgericht Wien. Es wies die Klagen von drei FPÖ-Politikern, um die es in der Recherche unter anderem ging, ab. Zum Hintergrund: Die FPÖ wurde 1956 von hochrangigen Nazi-Führern in Österreich gegründet. Die braunen Wurzeln der Partei haben wir hier bereits ausführlich beleuchtet:

Die braunen Wurzeln der FPÖ

Ende September 2024 fand das Begräbnis eines verstorbenen Ex-FPÖ-Politikers statt. Es handelte sich um Walter Sucher, der sich Zeit seines Lebens nicht vom Rechtsextremismus distanzierte und sich für sein Begräbnis wünschte, dass dort das SS-Treuelied gesungen wird. So kam es dann auch – unter den Beerdigungsbesuchern: Führungskader der Identitären Bewegung, freiheitliche Funktionäre und eben auch: die aktuellen FPÖ-Politiker Martin Graf, Norbert Nemeth und Harald Stefan. Sie sind auf einem Video der Begräbnis-Zeremonie zu sehen, die dem Standard vergangenen September zugespielt wurde. Ob sie die SS-Hymne mitsangen, ist darin nicht erkennbar. Das Oberlandesgericht Wien urteilte, dass man dem Standard den Vorwurf, die FPÖ-Politiker seien auf der Verabschiedung geblieben, obwohl ein historisch belastetes Lied angestimmt worden war, nicht als ehrenrührig auslegen könne.

Deepdive: So viel Nazi steckt in der FPÖ

Artikelbild: Hannes P. Albert/dpa

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